Im Bann der Wasserfee
würde Ragnars Vorhaben erleichtern. Ungesehen erreichte er die Außenmauer des Palastes. Im Schatten verharrte er unter einem der Balkon. Er hatte die Fenster abgezählt und mit seinem Wissen über das Palastinnere verglichen; dieser Balkon war der richtige. Wie ein Schleier lag Nebel zwischen den Wacholderbüschen, welche die Palastmauer säumten. Der Wind wehte Rosenduft zu ihm herüber.
Die letzten Tage hatte Ragnar genutzt, sich mit dem Palast und dem ihn umgebenden Garten vertraut zu machen. Da auch in der Nacht Wachen durch die Gänge liefen, war dies der sicherere Weg. Er wollte sein Leben nicht vor Abschluss seiner Aufgabe gefährden.
Vorsichtig hangelte er sich an den Wein- und Efeuranken hinauf, die an der Westseite des Palastes wuchsen. An einigen Stellen befanden sich Mauervorsprünge, auf denen er Halt fand. Er hoffte nur, er würde sich nicht trotz aller Vorsicht im Fenster irren. Das wäre äußerst fatal.
Er musste Malgven unbedingt stoppen, bevor es zu spät war. Schon einmal war sie nicht nur der Untergang eines Mannes, sondern der eines ganzen Volkes gewesen. Diesmal würde er das Unheil abwenden und sie ein für alle Mal unschädlich machen.
Ragnar kam oben an. Er schwang sich über die steinerne Brüstung und landete nahezu lautlos auf dem Balkon. In einem irdenen Gefäß wuchs eine hellviolett blühende Pflanze, die einen leichten Duft verbreitete.
Dort standen nur ein Stuhl und ein dreibeiniger Luxustisch, auf dem sich ein Spiegel befand. Sie war eitel wie eh und je. Offenbar war sie auch sehr von sich und ihren Kräften überzeugt, sonst hätte sie nicht nur drei Leibwächter, die sich zudem abwechselten, während Ihr Gemahl Gradlon über ein ganzes Heer davon verfügte. Möglicherweise wollte sie auch nur so wenige Leibwächter, um keine Zeugen für ihr heimtückisches Treiben zu haben. Doch Hochmut kam zum Fall, meistens früher, als diejenige Person dachte.
Die angelehnte Balkontür war ein weiteres Anzeichen für ihre Hybris. Ragnar schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht glauben, dass sie derart unvorsichtig war. Wahrscheinlicher war, dass sie aus Selbstüberschätzung heraus dachte, es nicht nötig zu haben, Vorsicht walten zu lassen – oder tatsächlich so gefährlich war, dass sie es wirklich nicht nötig hatte. Er jedenfalls würde nicht den Fehler begehen und diese Frau unterschätzen, wie es andere vor ihm getan hatten.
Es gelang ihm, die Tür völlig geräuschlos zu öffnen. Dennoch wartete er einen Moment und lauschte in die Stille, bevor er eintrat.
Im Raum angekommen, erstarrte er. Zwischen dem dicken Vorhang und der Wand lehnten ein Kompositbogen, wie ihn die Römer bevorzugten, ein Köcher mit Pfeilen und ein keltischer Wurfspeer!
Die Frau besaß neben ihrer gefährlichen Feen-Magie weitere todbringende Waffen! Womöglich hatte sie auch eine Dolchsammlung unter der Matratze und Schwerter, Katapulte und Torsionsgeschütze im Wandschrank. Es war also Vorsicht geboten. Sie wusste offenbar nicht nur weibliche oder magische Waffen einzusetzen.
Er schlich in Richtung ihrer Schlafstätte. Sie lag in einem dieser römischen Betten, dem lectus cubicularis , das eine Kopfstütze und eine der Wand zugekehrte Rückenlehne besaß.
Auch war es höher als Ragnar es von Schlafstätten gewohnt war. Selbst er mit seiner weit über dem Durchschnitt liegenden Körpergröße würde er seine Aufgabe nur mithilfe des Schemels durchführen können. Doch dieser erwies sich als wackelig, als er ihn bestieg. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Schlafende.
Wie friedlich und überirdisch schön und begehrenswert Malgven aussah, wenn sie schlief. Ihr golden schimmerndes Haar ergoss sich über das Kissen. Es war leicht zerwühlt wie von einem Liebhaber. Ihre Hand ruhte seitlich ihres Kopfes. Die Decke war verrutscht und offenbarte eine rosa Brustspitze, die köstlich emporragte. Ihre Brüste waren nicht besonders groß, doch wohlgeformt. Sie würden sich wunderbar in seine Hände schmiegen. Ob ihre Haut so zart und weich war, wie sie aussah? Alles an ihr war straff und wohlgerundet. Die Zeit hatte wahrlich keine Macht über sie. Die böse Zauberin hatte selbst sie besiegt.
Ragnar konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Er wollte nicht denselben Fehler begehen, wie so viele Männer vor ihm, und sich von der Macht dieser Zauberfrau einlullen lassen. Ragnar wich zurück und zog seinen Dolch, als sie sich im Schlaf bewegte. Sie streckte den Arm etwas.
Er machte sich bereit, zuzustoßen,
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