Im Bann des Adlers
ihr eine Decke um die Schultern und führte sie behutsam aus dem Keller. Oben vor dem Haus wartete schon eine ganze Armada von Einsatzwägen. Die Beamtin half ihr in einen der Wagen und setzte sich neben Hillary. „Nach Hause“ gab sie schlicht Anweisung und der Wagen fuhr los.
Kapitel 75
Victor
„Nein! Ich will nicht. Ah!“ Geweckt durch den markerschütternden Schrei fuhr Victor hoch und sah sich desorientiert um. Durch einen Hieb auf seinen Arm wurde er auf die träumende und wild um sich schlagende Frau im Bett aufmerksam. „Liebste aufwachen, du träumst.“ Rüttelte er sie sanft an der Schulter. Stöhnend und immer noch kämpfend flackerten kurz ihre Lieder. Doch sie kam nicht zu sich. „Bitte, es ist alles in Ordnung ich verspreche es dir.“ Tränen aus Verzweiflung liefen ihm über die Wangen. Er merkte es nicht einmal. Zu sehr war er damit beschäftigt, sie aus ihrem Albtraum zu befreien. Nach einer Weile schlug Jessica endlich langsam die Augen auf.
Jessica
Verschwommen erkannte ich einen weinenden Victor vor mir. Doch meine Lieder waren zu schwer, ich konnte die Augen einfach nicht offen halten. „Wo bin ich?“ Röchelte ich schwach. „Wir sind in Carrascar, einem Naturpark. Hier haben Sie dich in einen Schneekeller gesperrt. Ich habe dich gesucht und endlich gefunden. In dieser Hütte sind wir erst einmal in Sicherheit.“ Der langen Erklärung von Victor konnte ich kaum folgen. Jedenfalls war ich nicht mehr bei der Sekte und ich hoffte er irrte sich nicht damit, dass wir in Sicherheit waren. „Okay“, murmelte ich und glitt wieder in den Schlaf.
Victor
Victor sah auf sie herab und atmete auf. So wie es aussah, war Jessica über den Berg. Noch lange nicht wieder hergestellt, aber es war schon mal ein Anfang. Beim nächsten Erwachen, wollte er unbedingt dafür sorgen, dass sie ein wenig Tee trank. Womöglich fand sich hier auch irgendwo noch Suppe. Behutsam erhob er sich um die Genesende nicht zu wecken und suchte die Hütte nach weiterer Verpflegung für sie beide ab. Viel war es nicht mehr. Drei Dosen Gemüse, ein Beutel mit Brötchen zum Aufbacken. Zwieback und tatsächlich auch noch zwei Dosen Nudelsuppe. Abgerundet wurde das Ganze von einer Packung Reis. Nicht gerade fürstlich, aber für einige Tage würde es reichen müssen. Not macht schließlich erfinderisch.
Jessica
Gähnend streckte ich mich und bereute sofort es getan zu haben. Ich hatte das Gefühl keinen ganzen Knochen mehr im Leib zu haben. Um meiner Befürchtung Rechenschaft zu tragen, tastete ich vorsichtig an mir hinunter. Alles schien heil, tat jedoch höllisch weh. „Oh Mann, ist ein Lastwagen über mich gefahren?“, fragte ich ohne die Augen aufzumachen. „Wow, du bist wirklich auf dem Weg der Besserung, wenn du schon wieder Witze machen kannst. Herzlich willkommen unter den Lebenden mi Amor!“ Antwortete Victor belustigt. „Was heißt hier lebend. Ich fühle mich eher tot.“ „Sei froh, dass du es nicht bist. Viel hat nicht mehr gefehlt!“ Dieser Satz versetzte mir einen Stich in der Herzgegend. Misstrauisch beschloss ich nun doch endgültig aufzuwachen und sah meinen >Retter< etwas unschlüssig im Raum stehen.
„Was meinst du damit?“, bemerkte ich scharf. Ich merkte, wie er innerlich mit sich kämpfte. „Bitte mi Corazón ich erzähle dir alles, aber du musst dich schonen. Du hast sehr lange geschlafen.“ Ein komischer Unterton in seiner Stimme machte mich stutzig. „Wie lange war ich nicht bei Bewusstsein?“ Das Gesicht verzerrt vor Schmerz und Sorge entgegnete er leise. „Drei Tage und ich weiß nicht wie lange schon vorher. Du hast wirklich Glück und ich auch.“ Puh, dass musste ich erst einmal verdauen. Währenddessen drehte Victor sich um und machte sich daran zu schaffen mir wortlos eine Blechtasse mit heißem Tee in die Hand zu drücken. Sofort verstand ich, dass ich trinken sollte und gehorchte ohne Murren. Mein Kreislauf brauchte dringend Flüssigkeit. Ein Wunder, dass ich nicht schon völlig dehydriert war. Das hatte ich bestimmt ihm zu verdanken. Während ich langsam schlürfte, schloss ich die Augen. Zuerst aus Genuss, doch schon bald kam die Erinnerung zurück. Wie ich unsanft nachts aus meinem Zimmer gezerrt wurde und die Gewissheit in diesem Loch zu sterben, als ich erwachte. Auf den Fuß folgte der Gedanke daran, dass ich Victor verfluchte, weil er mich verraten hatte. Nun war ich mir nicht mehr sicher, was ich überhaupt noch fühlen und denken sollte. Aber das hatte auch
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