Im Bann des Fluchträgers
etwas Ausschau hielt, das sich zwischen den Bäumen verbarg.
Sie ritten auf Schleichwegen, Ravin führte sie über Pfade jenseits der Reitwege und Wegweiser. Einmal glaubten sie Spuren von Horjun-Pferden zu entdecken, doch bei näherem Hinsehen handelte es sich um ein Pferd aus der Burg. Offensichtlich hatte der Reiter im Galopp abgebremst und sich einige Male im Kreis gedreht, da er sich nicht für eine Richtung entscheiden konnte.
»Vielleicht ein Späher«, meinte Mel Amie.
»Er ist in Richtung Regenbogenburg geritten«, stellte Ravin fest. Er hielt seine Schleuder griffbereit und das Kurzschwert gelockert.
Lange bevor der Reiter sie erreichte, hörten sie Hufschlag. Ladro und Mel Amie zogen schon ihre Schwerter, als Ravin anhielt und ihnen mit einer Handbewegung Einhalt gebot.
»Das ist kein Horjun-Pferd«, sagte er.
Angespannt warteten sie einige Augenblicke, in denen der Hufschlag näher kam. Plötzlich bog in vollem Galopp ein Reiter der Königin um die Bäume. Beim Anblick der schweigsamen Gruppe erschrak er und legte sich in die Zügel. Sein Pferd stemmte die Vorderbeine in den sumpfigen Boden und rutschte aus. Um ein Haar wäre es in Ladros Banty geprallt, hätte dieses nicht einen Satz zur Seite gemacht. Der Reiter zitterte und war außer Atem.
»Ich dachte schon, ich würde euch nicht finden!«, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel über das schweißnasse Gesicht. »Die Königin schickt mich!«
»Ist etwas passiert?« Darians Stimme klang scharf.
Der Bote schüttelte den Kopf und schnappte nach Luft.
»Der Königin nicht. Doch sie hat Nachricht von Laios. Badoks Truppen sind direkt vor der Burg!«
Darian warf Ravin einen gehetzten Blick zu.
»Vor der Burg? Sind sie geflogen? Sie können noch nicht dort sein!«
Zwei Tage, dachte Ravin. Zwei Tage zu früh.
»Wo ist die Königin jetzt?«, warf Ravin ein.
»Sie war kurz vor den Ausläufern der Grenzberge, als die Nachricht von Laios sie erreichte. Inzwischen ist sie wieder auf dem Weg zur Burg.«
»Wie nah sind Badoks Truppen?«
»Zu nah. Jarog gebot der Königin abzuwarten und im Wald zu bleiben.«
Ladro stöhnte und rieb sich die Augen.
»Gut«, sagte Ravin. »Reite voraus!«
Sogar die Regenbogenpferde keuchten bereits, als sie endlich eine kurze Rast machten. Ladro schwieg und beobachtete düster das Gebüsch und die Dunkelheit, die sich dahinter im Unterholz auftat.
»Wartest du auf Horjun?«, flüsterte Ravin ihm zu. Ladro zuckte mit den Schultern. Sein Lächeln war schmal und angespannt.
»Ist dir aufgefallen, dass wir seit Tagen keine Hallgespenster mehr gehört haben?«
Darian nickte erschöpft.
»Aber ich fürchte, dass wir demnächst umso mehr von ihnen hören werden.«
»Bei den Truppen?«
»Ja.«
»Wie konnten sie so schnell bei der Burg sein? Jarog hatte seine Späher ausgeschickt, die berichteten, dass die Schiffe noch nicht einmal angelegt hatten.«
»Dann haben die Späher sich getäuscht. Vielleicht waren die Schiffe schneller, als Sumal Baji wissen konnte.«
Ravin senkte den Kopf und seufzte.
»Und mein Lager hat es geahnt.«
»Sie sind in Sicherheit«, sagte Darian. »Du wirst Jolon bald sehen.«
Ravin nickte und biss sich auf die Lippe. Er hoffte, sein Freund würde nicht bemerken, dass er schamrot wurde. Was er sich nicht eingestehen wollte, sah er nun klar vor sich: dass er erleichtert gewesen war dem Boten folgen zu müssen. Er wusste, dass es Feigheit war, seinem Bruder und dem Lager nicht unter die Augen treten zu wollen. Und er vermisste Amina so sehr, dass es schmerzte. Er wollte sie um Rat fragen, sobald … Und da traf es ihn wieder, die grausame Gewissheit, dass er Amina nie wieder etwas fragen konnte.
»Seltsam ist«, begann Darian, »dass mir Laios keine Nachricht geschickt hat. Ich schließe die Augen und suche ihn.
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