Im Bann des Fluchträgers
mögliche Verstecke und wich wohlweislich den fünfgabeligen Bäumen aus, wenn er sie sah, boten sie doch einen zu guten Unterschlupf. Obwohl er nicht sicher sein konnte, glaubte er, dass er allein ritt. Gegen Abend war er durstig und erschöpft, doch er rastete wiederum nur kurz und errechnete, dass er im Morgengrauen bei der Burg sein würde – an dem Tag, an dem Diolens Truppen dort ankommen hätten sollen, wenn sie aus einem unerklärlichen Grund nicht viel schneller gewesen wären.
Der Abend dämmerte bereits, als Ravin auf die ersten Spuren in der Nähe der Burg stieß. Mehrere Pferde waren es, deren Hufeisen tiefe Abdrücke im Schlamm hinterlassen hatten. Sie galoppierten weitab vom Weg und offensichtlich nicht direkt zur Burg, sondern schlugen einen Bogen. Die Tatsache, dass die Hufspuren noch nicht voll Wasser gelaufen waren, zeigte Ravin, dass sie erst vor sehr kurzer Zeit hier vorbeigeritten waren. Das Horjun-Pferd hob den Kopf und witterte. Ravin gab ihm das Zeichen zum Galopp. Im Kopf legte er sich bereits die Geschichte zurecht, die er den Horjun erzählen wollte, sobald er sie treffen würde. Die Hufabdrücke zogen sich auf verschlungenen Pfaden durch das Unterholz, mehrmals musste Ravin eine scharfe Kurve reiten. Sein Gefühl warnte ihn, dass etwas nicht stimmte. Kopflos schien diese Gruppe von Horjun durch den Wald zu preschen, ohne Ziel, immer mitten durch das Unterholz.
Verfolgten sie jemanden? Das war unwahrscheinlich. Kein Waldmensch hätte sich so lange verfolgen lassen, sondern wäre schon viel früher im Wald unaufspürbar geworden. Plötzlich zerstreuten sich die Spuren. Zwei Pferde schienen nach links ausgebrochen zu sein, eines hatte einen Haken nach rechts geschlagen. Ravin zügelte sein Pferd, das mit einem Satz zum Stehen kam, und beugte sich tief aus dem Sattel. Die Spur sah anders aus als noch wenige Spannen zuvor. Nicht mehr ganz so tief drückten die Hufeisen sich in den Waldboden. Von einem Augenblick zum anderen schien das Pferd leichter geworden zu sein. Ein Reiter war abgestiegen!
Ravin ahnte die Bewegung über sich und riss das Pferd herum, sodass es einen strauchelnden Satz zur Seite machte. Ein kräftiger Körper fiel an ihm vorbei, eine Hand ergriff Ravins Mantel und zerrte ihn vom Pferd. Ravin entwand sich, schlüpfte aus dem Umhang. Ein Horjun rappelte sich vom Boden auf und langte nach seinem Schwert, das im Matsch lag. Ravin war verwirrt.
»He! Langsam!«, rief er dem Horjun zu. »Ich will auch zur Burg! Ich bin Galo Bor!« Der Horjun blickte ihn ausdruckslos an, riss das Schwert hoch und stürzte sich auf ihn. Ein Schnauben ließ Ravin herumfahren. Gerade noch rechtzeitig sah er, wie sich ein Horjun-Pferd neben ihm aufbäumte. Ein messerscharfer Huf wirbelte an seiner Nase vorbei. Er duckte sich, als sein Pferd bockte und ausbrach, doch schon war der erste Horjun wieder zur Stelle und zerrte ihn zu Boden.
»Galo Bor!«, schrie Ravin in das rote, verzerrte Gesicht. »Ich gehöre zu euch!«
Statt einer Antwort holte sein Gegner mit der Faust aus. Mit der Kraft der Verzweiflung wand Ravin sich unter ihm hervor und schlug ihm mit einem gezielten Hieb auf den Ellbogen. Erleichtert hörte er, wie der andere vor Schmerz nach Luft schnappte. Ravin drehte sich nach oben, riss den Gegner herum, drückte ihn in den Matsch und hielt ihm das Schwert an die Kehle. Der Horjun wurde augenblicklich schreckensstarr. Ravins drückte die Klinge noch fester auf den Hals und hob den Blick. Die beiden anderen Horjun saßen auf den Pferden, ihre Schwerter blitzten. Dennoch zögerten sie. Ravin erkannte, dass einer von ihnen keinen Helm trug. Blut klebte an seiner Wange. Der andere saß zusammengekrümmt. Beide Pferde hatten tiefe Wunden an den Flanken.
»Galo Bor!«, rief eine
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