Im Bann des Fluchträgers
Bewegung über die Stirn.
»Gut«, sagte sie leiser und freundlicher. »Geht nun.«
Darian stand auf, gemeinsam verneigten sie sich und traten in die Nacht.
»Du wirst trotzdem reiten, Ravin«, stellte Darian fest.
»Ja.«
Darian begann leise in sich hineinzulachen.
»Und es gelingt dir, sogar die Königin glauben zu machen, dass du ihrem Befehl folgen wirst. Ich wünschte, ich hätte diese Fähigkeit!«
»Ich muss es tun. Ich bin der Einzige, der an den Horjun vorbeikommt.«
Darian lächelte.
»Wie willst du es anstellen?«
»Ich brauche den Wintermantel des Pferdejungen und schwarze Stiefel. Solche, wie die Gesandten aus Tana sie tragen, sind den Horjun-Stiefeln ziemlich ähnlich. Einen Helm brauche ich nicht. Ich kann sagen, dass ich ihn in einem Handgemenge verloren habe. Und dann brauche ich noch ein Kurzschwert und das Horjun-Pferd.«
Sie hatten sich leise unterhalten, dennoch entging Ravin das Knacken nicht, das rechts von ihm aus dem Unterholz kam. Er stutzte, hielt Darian am Arm zurück und zog seine Schleuder hervor. Im Schatten eines Baumes stand Mel Amie, am Zügel das Horjun-Pferd.
»Willkommen, Galo Bor«, sagte sie. »Ich billige es nicht und wünschte, ich könnte dich überreden vernünftig zu sein. Aber ich kenne Ravin va Lagar viel zu gut, als dass ich nicht sehen würde, wann es sinnlos ist, ihn zu ermahnen. Hier sind dein Pferd und dein Mantel. Und da ich gerade beim Spielen war, habe ich einen der Wächter aus Lom gleich dazu verleitet, seine Stiefel zu verwetten. Wenn der Ärmste wüsste, dass er sie heute nicht mehr zurückgewinnen wird …«
Ravin schluckte, als sie ihm die Zügel in die Hand drückte und den Wettermantel um die Schultern legte. Das Horjun-Pferd scharrte mit dem Huf und legte die Ohren an. Ravin wusste, dass es Mel Amie nicht leicht fiel, es aus ihrer Obhut zu geben.
»Danke«, sagte er aus tiefster Seele und zog die Stiefel aus schwarzem, glänzenden Leder an.
»Ich werde einen Spiegelzauber sprechen«, flüsterte Darian. »Wer dich sehen will, wird dich auf Vajus Rücken im Gefolge reiten sehen. Ich hoffe, es wird einen Tag lang funktionieren. Und jetzt werden wir bei den Pferden ein bisschen Wirbel machen, damit du unbemerkt reiten kannst. Viel Glück, Ravin!«
»Glück auf deinem Weg, Galo Bor!«, sagte Mel Amie.
Ravin schwang sich auf den Rücken des Horjun-Pferdes. Er schloss die Augen und holte tief Luft. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Mel Amie und Darian zwischen den Bäumen stehen. Und neben ihnen stand ein Waldmensch mit grünen Augen und stolz erhobenem Kopf – der Spiegelzauber, das Abbild von Ravin va Lagar. Dieser Ravin sah ganz anders aus als das Spiegelbild, das er vor langer Zeit im Fluss betrachtet hatte. Die Brandnarbe an seinem Mund leuchtete rot. Es schien ein Fremder zu sein, der nichts mehr mit dem Ravin gemein hatte, der vor so vielen Monden Tjärg verlassen hatte.
Ravin wandte den Blick ab und wurde zu Galo Bor, dem Horjun.
Das Horjun-Pferd erinnerte sich an die vielen Stunden in Amgars Reithalle und riss den Kopf hoch. Unter dem Schenkeldruck bäumte es sich auf und preschte davon. Hinter ihnen hob ein Wiehern und Hufgetrappel an, Pferde rissen an ihren Stricken.
»Wachen! Bei den Pferden ist jemand!«, erscholl Darians Stimme, dann verhallte der Lärm und nur noch der Hufschlag des Horjun-Pferdes ertönte in der Nacht.
Ravin ritt durch einen Wald, der so totenstill war, dass er nicht einmal Rascheln und Nachtgetier hörte. Er wünschte sich, die Hufschläge würden nicht so laut in der Stille dröhnen, und spürte ein Kribbeln im Genick, in der ständigen Erwartung, dass ein Stein oder ein Pfeil aus den Schatten der Nacht herangeflogen kämen. Sorgfältig wählte Ravin die ungegangenen Wege und ritt Schleifen durch das unübersichtliche Gelände. Ständig prüfte er
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