Im Bann des Fluchträgers
Erschöpfung spiegelten sich darin.
»Das Wort?«, fragte einer von ihnen.
»Kalevala«, antwortete Ravin in der Hoffnung, dass das Passwort, das Ruk ihm genannt hatte, nicht über Nacht geändert worden war. »Galo Bor, drittes Schiff, Amgars Truppe.«
Der Wächter musterte ihn lange.
Die Gesichter der anderen Männer zeigten keine Regung. Derjenige, der Ravin die Fragen gestellt hatte, senkte sein Schwert. Ravin nahm es als Erlaubnis, das Tor zu passieren. Mit zitternden Knien gab er seinem Pferd das Zeichen und dankte dem Tier für die Ruhe und Selbstverständlichkeit, mit der es ausschritt.
Die Szenerie, die sich vor ihm auftat, war gespenstisch. Der Nordhof war voll mit Erloschenen. Als Ravin an ihnen vorüberging, ließen einige ihre behandschuhten Hände kaum merklich zum Schwertgriff gleiten. Ravin spürte die Bedrohung, als er unter den ausdruckslosen Blicken zu den Stallungen ging. Mit dem müden Pferd im Schlepptau würde er, so hoffte er, am wenigsten Aufsehen erregen. Das Tier folgte ihm, ohne dass er es führen musste, die Ohren flach an den Kopf gelegt. Verstohlen hielt er Ausschau nach Horjun, entdeckte jedoch nur wenige. Lediglich eine einzige abgerissene Gruppe mit zerfetzten Mänteln ging über den Hof. Sie wirkten erschöpft, Ravin fragte sich, wo sie gewesen sein mochten.
Im Stall standen doppelt so viele Pferde wie üblich. Um Platz zu schaffen waren die Boxenwände herausgebrochen worden. Ein riesiger Stapel Holz türmte sich am Ende des Ganges. Die Zahl der Horjun-Pferde schätzte Ravin auf weit mehr als hundert. Doch die Lastponys der Burg und die Pferde der Gesandten waren verschwunden, ebenso der junge Stallbursche. Im hinteren Teil des Stalls hob ein Pferd den Kopf, schüttelte die steingraue Mähne und legte bei Ravins Anblick die Ohren an. Ravins Herzschlag wurde zu einem Trommelwirbel, die Zügel schnitten tief in seine Haut, so fest schloss er die Hand darum. Diolen war also in der Burg. Hastig führte er sein Pferd in die Reihe, nahm ihm Zaumzeug und Sattel ab und holte frisches Wasser. Dann verließ er den Stall durch einen Seiteneingang, der zu einem kleinen Innenhof führte. Voller Unbehagen lehnte er sich an eine der steinernen Wände und lauschte. Sein Blick fiel auf eine Scharte in der Mauer. Er setzte seinen Fuß auf einen Vorsprung und zog sich hoch. Der Anblick, der sich ihm bot, raubte ihm den Atem. Vor ihm erstreckte sich das südliche Regenbogental. Hatte er bisher gedacht, dass die Anzahl von Badoks Truppen gewaltig war, so musste er seine Meinung nun ändern. Das, was er bisher gesehen hatte, war eine Hand voll Horjun gewesen, mehr nicht. Soweit Ravins Auge reichte, lagerten nun die Erloschenen vor den Südtoren der Burg. Auf dem Weg vom Wald ritt eine Truppe von ihnen mit einigen wenigen Horjun, die ein paar reiterlose Waldponys mit sich führten. Offensichtlich kamen sie aus einer Schlacht. Und ganz hinten ging eine Gruppe von Gefangenen. Mit gebundenen Händen, verwundet, blutend, sich gegenseitig stützend wurden sie in die Burg geschleppt. Von seinem Stand aus konnte Ravin nicht erkennen, ob es Menschen aus seinem Lager waren. Er schluckte seine Wut und Verzweiflung hinunter und sprang wieder auf den Boden. Dort zwang er sich dazu, nachzudenken. Sie kamen aus dem Südwald, also wurde im äußeren Gürtel des Tales schon gekämpft. Zumindest nahm Diolen Gefangene, obwohl Ravin sich darauf keinen Reim machen konnte. Aber woher kamen diese Massen von Erloschenen? Unmöglich konnten so viele von ihnen auf den Schiffen gewesen sein.
Unruhe drang aus dem Stall. Pferde wurden in den Stall geführt. Rasch zog er sich in den Schatten der Mauer zurück.
»Macht alles für den zweiten Angriff bereit«, sagte
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