Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
spöt­tisch.
    »Du bist nicht mehr das, was du warst«, fuhr Dio­len fort. »Aber noch bist du nicht, was du sein wirst, Ami­na.«
    Ra­vin glaub­te ein Fla­ckern in ih­ren Au­gen zu se­hen, einen Fun­ken des Zwei­fels.
    »Ami­na! Hör nicht auf ihn!«, schrie er, doch der Er­lo­sche­ne hin­ter ihm drück­te ihm sei­ne stin­ken­de Pran­ke auf den Mund, so­dass er fast er­stick­te. Es roch nach Tod und al­tem Staub.
    Ami­na hat­te auf sei­nen Ruf nicht rea­giert, viel­leicht hat­te sie ihn nicht ein­mal wahr­ge­nom­men.
    »Zu ei­nem ge­wis­sen Teil kannst du dich noch ent­schei­den, Ami­na«, flüs­ter­te Dio­len. »Macht ist al­les, was dir blei­ben wird. Sieh dei­ne Hän­de an.«
    Sie senk­te den flam­men­den Blick und be­trach­te­te ih­re Fin­ger und Hand­flä­chen. Blauschwarz wa­ren sie, wie Vo­gel­klau­en.
    »Es wird nicht mehr lan­ge dau­ern, da wird dein Ge­sicht noch viel grau­en­haf­ter aus­se­hen. Du wirst zu ei­nem Ge­spenst der Nacht. Ein­sam wirst du in den Ber­gen hau­sen.« Lä­chelnd trat er zu ihr und blick­te ihr in die Au­gen. »Du glaubst, ich ha­be dei­ne Mut­ter ge­tö­tet, weil ich grau­sam bin«, flüs­ter­te er. »Aber du irrst dich. Aus Ein­sam­keit hat sie um den Tod ge­fleht. Ei­ne Ein­sam­keit, die dunk­ler, tiefer und un­end­lich schmerz­li­cher ist als der schlimms­te Tod.«
    Ra­vin glaub­te wahr­zu­neh­men, wie Ami­na bei die­sen Wor­ten zu­sam­men­zuck­te.
    Dio­lens Stim­me wur­de lei­se und be­schwö­rend.
    »Ich ver­ste­he dei­nen Schmerz, Ami­na. Auch mein Va­ter wur­de ge­tö­tet. Und nun bin ich wie du: ein­sam und mäch­tig. Doch ge­mein­sam kön­nen wir ganz Ska­ris be­herr­schen – und al­le Län­der, die von Dan­tar über Tjärg bis weit hin­ter die Step­pen von Fio­rin rei­chen! Du wirst Kö­ni­gin sein, ei­ne grau­sa­me und Furcht er­re­gen­de Kö­ni­gin – an mei­ner Sei­te, Ami­na. Nie­mand kann die Ein­sam­keit von dir neh­men. Nur ich.«
    Sie schi­en zu schwan­ken, ihr Blick wur­de ru­hi­ger. Sehn­sucht nach Macht fla­cker­te dar­in. In die­sem Mo­ment, so wur­de Ra­vin be­wusst, wa­ren Dio­len und Ami­na völ­lig gleich. Bei­de dun­kel, bei­de mäch­tig. Ein Kö­nigs­paar, da­für ge­schaf­fen, zu herr­schen und Schre­cken und Krieg über das Land zu brin­gen. Ami­na hat­te die Gren­ze über­schrit­ten. Ra­vin wand­te sich ab, weil er die­sen An­blick nicht mehr er­trug.
    »Gib mir den Stein«, sag­te Dio­len zu Ami­na.
    Wär­me brei­te­te sich über Ra­vins Hand­ge­len­ke aus, dann fie­len die Fes­seln von ihm ab. Aus den Au­gen­win­keln sah er, wie Darians ma­gi­sches Licht in die Dun­kel­heit da­von­husch­te. Gleich­zei­tig ru­ckel­te ein Schwert, das an einen Baum­stamm ge­lehnt war, und rutsch­te durch das Gras in Ra­vins Reich­wei­te. Er hielt den Atem an, spann­te die Mus­keln um es an sich zu rei­ßen, da traf ihn Ami­nas Blick.
    Für den Bruch­teil ei­nes Mo­ments sah er Ami­na, die er im Jer­rik-Wald ken­nen ge­lernt hat­te. Ami­na, die lach­te und auf dem Fi­scher­fest tanz­te und glück­lich war. Das Schwert lag nun di­rekt vor ihm, er konn­te Darians Ge­dan­ken spü­ren: Nimm es, Ra­vin! Tö­te Dio­len! Doch Ra­vin wuss­te, dass er sei­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen hat­te. Der Er­lo­sche­ne, der ne­ben ihm stand, ent­deck­te das Schwert. Star­ke Ar­me grif­fen nach Ra­vin und drück­ten ihn grob zu Bo­den. Dari­an stöhn­te. Der Schat­ten senk­te sich wie­der über das Ge­sicht der Wor­an. Sie wand­te den Kopf ab und be­gann zu sin­gen:
     
    »Tel­lid akjed nag asar
    Kinj kar Akh elen ba­lar
    Kin­ju teen
    Kin­ju teen
    Skell asar, ba­lan tar­jeen!«
     
    »Nein, Ami­na!« Der Schrei klang so ver­zerrt und fremd, dass Ra­vin nicht be­wusst wur­de, dass er es war, der ge­schri­en hat­te. Der Er­lo­sche­ne, in des­sen Hand er ge­bis­sen hat­te, fluch­te und hieb mit der Faust auf Ra­vins Wun­de. Der Schmerz nahm ihm den Atem. Trä­nen ran­nen ihm über die Wan­gen und tropf­ten auf den Bur­g­hof. Du hast dei­nen Bru­der ge­tö­tet, kreisch­te es in sei­nem Kopf. Weil du ei­ner Wor­an ver­traut hast!
    Röt­li­cher Schein brei­te­te sich über Jo­lons Hand, die den Kris­tall im­mer noch fest um­schlos­sen hielt. Zwi­schen sei­nen

Weitere Kostenlose Bücher