Im Bann des Fluchträgers
den Wald.
»Wo sind sie jetzt?«
»Wahrscheinlich schon beim Fluss. Und jetzt kommt zum Feuer.«
An den meisten Feuerstellen waren die Feuer schon so weit heruntergebrannt, dass sie nur noch glühten. Beim größten Zelt scharten sich die Menschen um Sella, unzählige Arme umfingen sie. Von den Fremden nahmen die meisten Lagerbewohner kaum Notiz. Ravin war froh, dass sie sich unbemerkt im Lager umschauen konnten. Ihm fiel auf, dass er keine Kinder sah. Vielleicht schliefen sie in den niedrigen Zelten am Rand der Lichtung. Sie überquerten die Wiese und näherten sich dem größten Feuer, an dem Jerrik und einige Krieger sie bereits erwarteten. Ihre übergroßen Schatten tanzten auf der kahlen Felswand. Einige der Krieger, die friedlich am Feuer saßen, hatten vorher mit gezückten Schwertern auf der Lichtung gestanden. Sie warteten schweigend, bis die Neuankömmlinge sich niedergelassen hatten. Ravin fiel ein junger Mann auf, kaum älter als er, mit schwarzem Haar und einem wachen Blick. Seine Lippen waren schön geformt und endeten in einem kleinen Aufwärtsschwung, sodass es aussah, als würde er ständig ein wenig spöttisch lächeln. Doch seine ernsten Augen straften dieses Lächeln Lügen. Ravin bemerkte den raschen Blick, den er mit Amina wechselte, als sie sich neben ihm am Feuer niederließ. Offensichtlich kannten sie sich sehr gut.
Der alte Krieger saß Ravin gegenüber. Im Feuerschein wirkte sein von Falten zerklüftetes Gesicht noch härter als im Mondlicht. Sein Mund war schmal, kaum mehr als ein Strich. Er lächelte Ravin und Darian zu, doch seine Augen blieben ernst.
»Möge Elis euch als Gäste begrüßen!«, sagte er feierlich und machte eine Handbewegung, die dem Willkommensgruß der Waldmenschen aus Tjärg sehr ähnlich war. Ravin und Darian erwiderten die Geste.
»Man wird unhöflich, wenn man so lange keine Gäste mehr hatte«, fuhr der Krieger fort. Ravin lächelte. Allmählich löste sich die Spannung, er begann zu fühlen, wie müde er war. Gerne hätte er sich in der Wärme des Feuers ausgestreckt und ein wenig geschlafen, doch er wusste, er war ihren Gastgebern schuldig zu berichten, was sie in ihrem Wald taten.
»Ich bin Jerrik«, sagte der Krieger. »Das ist Ladro …«
Der schwarzhaarige Junge an Aminas Seite deutete eine Verbeugung an.
»Das sind Gran, Kilmen und Santez.«
Die drei Krieger nickten ihnen zu.
»Und dies …« – er wies auf eine ältere Kriegerin mit sehnigen Armen und grauen Strähnen im Haar – »… ist Mel Amie.«
Ravin räusperte sich.
»Mein Name ist Ravin va Lagar«, begann er. »Und dies ist mein Freund, Darian Danalonn. Wir kommen aus Tjärg. Im Grunde wollten wir das Grenzgebiet nicht verlassen. Doch offensichtlich sind wir bereits weiter geritten, als wir vorhatten.«
»Offensichtlich«, sagte Ladro.
»Wir sind überrascht und erfreut hier Waldmenschen anzutreffen«, fuhr Ravin fort. »Zumindest nehmen wir an, ihr seid Waldmenschen?«
Jerrik zog die Brauen hoch.
»Ja und nein. Wir sind kein Lager, wenn du das meinst. Wir kommen aus den verschiedensten Gegenden von Skaris. Aminas Mutter zum Beispiel war eine Shanjaar aus dem nördlichen Molonwald, bevor sie in die Berge zog.«
Amina lächelte Ravin zu und nickte.
»Gran hat als Krieger in Badoks Armee gedient, bevor er zu uns kam. Kilmen und Santez stammen aus dem Gebiet westlich der Feuerberge. Aber Ladro ist ein Waldmensch aus dem Taniswald. Einige aus seinem Lager sind ebenfalls bei uns.«
Er lehnte sich zurück.
»Und wir Jerriks – ich, Mel Amie und noch zwanzig andere – nun, wir stammen nicht aus dem Wald. Früher hatten wir eine Burg und Ländereien. Doch das war vor langer Zeit.«
Ravin schwieg. Offensichtlich sammelten sich in Jerriks Lager Menschen, die ihre Heimat
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