Im Bann des Highlanders
werden wir nicht mehr gestört.«
Erleichtert verließ Joan das Bett und gesellte sich zu Màiri, die mittlerweile am Tisch Platz genommen hatte und sich am Webrahmen zu schaffen machte.
»Was tust du da?«, fragte Joan interessiert und wies auf den Webrahmen. Màiri spannte innerhalb des Rahmens flink mit einem langen Faden ein dichtes Gitter.
»Ich will Tuch für ein neues Plaid weben«, erklärte Màiri geduldig. »Meine Familie trägt nur den Tartan, den ich herstelle.«
»Oh«, machte Joan, die überhaupt nichts begriff.
Als Màiri dies bemerkte, lächelte sie und sagte: »Jeder Clan hat sein eigenes, ganz spezielles Karomuster in verschiedenen Farben, das man Tartan nennt. Du musst dich wegen deiner Unwissenheit nicht genieren, die meisten Engländer wissen nicht viel über unsere Kultur.«
Neugierig geworden, erwiderte Joan: »Ich sah einige Männer im Burghof, die dieselben Farben in ihren Plaids trugen, allerdings nicht so leuchtend wie in dem deines Bruders.«
Bei diesen Worten überzog ein Anflug von Stolz Màiris Gesicht. »Daran erkennst du die Familienmitglieder der MacLaughlins, die Plaids der anderen Männer werden von deren Frauen gewebt. Die leuchtenden Farben sind mein Geheimnis, nur ich kenne die Zusammenstellung aus verschiedenen Moosen und Blumen, um dieses auffällige Rot und Grün zu erzeugen.«
Im Verlauf des Abends erfuhr Joan, dass Màiri eine ganz bestimmte Stelle im Wald kannte, an der die Pflanzen wuchsen, die sie zum Färben des Garnes benötigte, das ihre Schwester Darla zuvor zu feinen Fäden spann.
»Mein Vater ist übrigens immer noch völlig außer sich«, sagte Màiri unvermittelt, ihre kleine Hand führte dabei unaufhörlich das Webschiffchen zwischen den gespannten Fäden hindurch. »Wie ich mir bereits gedacht habe, wurde nur über das Verschwinden der ‚Hexe’ geredet. Alle glauben, du hättest dich durch einen Zauber in Luft aufgelöst und der arme Calum ist noch immer verstört, weil er den unverzeihlichen Fehler begangen hat, dich für kurze Zeit alleine zu lassen.«
»Dein Vater weiß doch bestimmt, dass du dich viel um mich gekümmert hast«, entgegnete Joan. »Hat er dich denn gar nicht im Verdacht, dass du deine Hände im Spiel hattest?«
»Aye, natürlich hat er mich gefragt, ob mir etwas aufgefallen ist, aber ich habe verneint und ganz entsetzt getan, weil die Gefangene, der ich die Mahlzeiten gebracht habe, doch eine Hexe ist.« Màiri ließ für einen Augenblick das Schiffchen sinken. »Was wohl Ewan dazu sagt, wenn er morgen Abend zurückkommt?«
»Du wirst ihm doch nicht die Wahrheit sagen?«
»Natürlich nicht!« Màiri nahm ihre Arbeit wieder auf. Obwohl das Tuch erst wenige Zentimeter lang war, konnte man schon den typischen Tartan der MacLaughlins erkennen. »Ewan und ich haben zwar keine Geheimnisse voreinander, aber in diesem Fall werde ich schweigen. Mein Bruder ist ein Hitzkopf, und die Gefahr, dass er dich verrät, ist zu groß.«
Joan sah den gutgebauten Mann wieder vor sich und fragte beiläufig: »Hat er auch schon eine eigene Familie?«
»Nein, obwohl es mehrere Kandidatinnen gibt. Er hat sich bisher noch nicht entschieden, obwohl die Frauen ihn anhimmeln und einige sich ihm sogar anbiedern.« Màiri warf einen vorsichtigen Seitenblick auf Joan und als sie merkte, dass die Engländerin nicht schockiert zu sein schien, fuhr sie in vertraulichem Ton fort: »Es ist schon vorgekommen, dass Ewan nach einem Fest eines der Mädchen in seinem Bett vorfand ... völlig unbekleidet.« Die letzten Worte hatte sie nur gehaucht. »Selbstverständlich hat er sie sofort hinausgeworfen.«
»Selbstverständlich«, wiederholte Joan und dachte wieder an das attraktive Äußere des Highlanders. Sie wusste nicht, wie die Männer in früheren Jahrhunderten reagiert hatten, aber zu ihrer Zeit würde ein Mann von Ewans Format seine Beliebtheit ausnutzen und nichts anbrennen lassen.
Unvermittelt legte Màiri das Webschiffchen neben den Rahmen und stand auf. »Wir sollten zu Bett gehen, es ist schon spät.«
Auch Joan war müde, erst jetzt merkte sie, wie erschöpft sie nach den Strapazen des vergangenen Tages war und freute sich darauf, endlich wieder in einem richtigen Bett schlafen zu dürfen.
Bevor Màiri die Kammer verließ, nahm Joan sie in den Arm und sagte leise: »Ich danke dir für alles.«
»Ich habe doch gar nicht viel getan«, wiegelte Màiri verlegen ab, »nur ein wenig Hilfestellung geleistet.«
»Nein, es ist viel mehr, und das weißt du
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