Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des Maya-Kalenders

Im Bann des Maya-Kalenders

Titel: Im Bann des Maya-Kalenders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Stamm
Vom Netzwerk:
apokalyptischen Katastrophe und die Hoffnung auf die göttliche Erlösung setzte er gezielt ein, um seine Gläubigen einer Bewusstseinskontrolle zu unterziehen.
    Die Verfasser einer Gedenkschrift zum Massaker der Jones-Sekte hatten offenbar geahnt, dass das Drama nur einen kurzen Nachhall haben würde: »Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist gezwungen, sie zu wiederholen«. Die Geschichte hat sich wiederholt,
wie wir heute wissen. Auf den Philippinen (1985, 68 Tote), in Südkorea (1987, 33 Tote), in Waco, USA (1993, Davidianer, 84 Tote), in der Schweiz, in Frankreich und in Kanada (1994–1997, Sonnentempler, 74 Tote), in Japan (1996, Aum-Sekte, 18 Tote, 5500 Verletzte), in San Diego, USA (1997, Heaven’s Gate, 39 Tote).
    Vom engagierten Pastor zum Sektenführer
    Der Amerikaner Jim Jones begann sein religiöses Werk als Wohltäter. Er sehnte sich nach sozialer Gerechtigkeit und wollte sein Leben den Benachteiligten und Ausgestoßenen widmen. Schon als kleiner Junge träumte er davon, dereinst als Prediger das Wort Gottes zu verkünden und die Welt zu bekehren. Er spielte am liebsten Pfarrer und »taufte« seine Spielkameraden bei jeder Gelegenheit. Später bekannte er sich zur Methodisten-Kirche, doch fand er in dieser Gemeinschaft nicht die erhoffte religiöse Erfüllung. Ende der 1950er-Jahre gründete er als junger Mann in Indianapolis eine eigene Gemeinde unter dem Namen »The Christian Assembly of God«, die er später in »Peoples Temple of the Disciples of Christ« (Volkstempel der Jünger Christi) umbenannte. Der charismatische, rhetorisch begabte und von einem Sendungsbewusstsein beseelte Jones fühlte sich von Gott berufen, die Wiederkunft Christi vorzubereiten.
    Jim Jones scharte Anfang der 1960er-Jahre Randständige aus den Slums um sich und kämpfte gegen die Rassendiskriminierung. Aus einer Mischung von sozialistischen Ideen und christlichen Grundsätzen entwickelte er ein erstaunlich fortschrittliches sozialpolitisches Konzept, das vor allem Leute aus den unteren Schichten und Schwarze anzog. Für die konservativen Amerikaner war er eine Provokation. 1965 zog Jones mit seinen Anhängern nach Ukiah in Kalifornien, wo er ein eigenes Zentrum gründete und die Anhänger schon bald an sich zu binden
begann. Sechs Jahre später siedelte Jones, der inzwischen autoritäre Allüren entwickelt hatte, mit einer großen Schar von Gläubigen nach San Francisco um, wo er seinen Aktionsradius ausdehnte.
    Der Machtdrang, der Glaube an eine göttliche Bestimmung seines Werks und apokalyptische Visionen weckten bei Jones Allmachtsfantasien, die ihn seelisch aus dem Gleichgewicht warfen. Durch die Bewusstseinskontrolle gelang es ihm, mit der Bibel in der Hand ein totalitäres Regime aufzubauen und die Anhänger in den Strudel seiner radikalen Ideen zu ziehen.
    Jim Jones profitierte von der fast grenzenlosen Toleranz gegenüber Glaubensgemeinschaften in den USA. Öffentlichkeit und Behörden nahmen die alarmierenden Schilderungen von Aussteigern kaum wahr, die schon Anfang der 1970er-Jahre von menschenverachtenden Ritualen bei den Volkstemplern berichteten. (Eine gefährliche Gleichgültigkeit, die sich später bei den Massakern der Aum-Sekte ebenfalls tödlich auswirken sollte.) Schon damals hatte er ein diktatorisches Gebaren entwickelt und seine Gläubigen mit entwürdigenden Gehorsamsritualen unterdrückt. Er gab sich als Messias aus und ließ sich von den Anhängern als Vater oder Prophet Gottes bezeichnen. Die Angehörigen der Jones-Jünger stießen bei den Behörden auf taube Ohren, denn der Kultführer stand bei vielen Prominenten und Politikern in hohem Ansehen. Der Demagoge hatte es verstanden, mit Propagandaaktionen ihre Gunst zu erlangen. Die devote Ehrerbietung des »Predigers« schmeichelte der Prominenz.
    Schützenhilfe von prominenten Politikern
    Nach außen baute Jones gezielt das Image eines Wohltäters und bescheidenen Gottesmannes auf. Die Liste der einflussreichen Leute, die mit ihren Empfehlungsschreiben halfen, die Legende vom Saubermann Jones zu stützen, ist lang. Rund 60 Vertreter aus
der amerikanischen Politprominenz erteilten Jim Jones schriftlich ihre Absolution. Unter ihnen befinden sich der ehemalige Vizepräsident der USA, Walter Mondale, der damalige Minister Joseph Califano, die Senatoren Henry Jackson, Mike Gravel und Hubert Humphrey. Politische Unterstützung erhielt der Sektenführer auch von den damaligen Oberbürgermeistern George Moscone (San Francisco) und Thomas Bradley (Los

Weitere Kostenlose Bücher