Im Banne des stuermischen Eroberers
Tür, um zu öffnen. Zwei junge Mägde standen davor, und sie trat beiseite, um sie einzulassen. Sie wollte ihnen bescheiden, die Speisen auf der Truhe beim Kamin abzustellen, aber Hethe kam ihr zuvor und wies die Frauen an, Essen und Wein zu der Truhe neben dem Bett zu bringen.
Zögerlich folgte Helen ihnen und bemerkte, dass die beiden Mägde Hethe verhalten zulächelten, während sie die Sachen abstellten. Helen vermutete, dass die Neuigkeiten sich wie ein Lauffeuer verbreiteten. Mary dürfte inzwischen erzählt haben, dass Hethe nicht für die harschen Strafen verantwortlich gewesen war und auch nicht angewiesen hatte, allein hübsche Mägde zu beschäftigen. Auch dürfte das Burgvolk inzwischen erfahren haben, dass er Marys Mutter zurückgeholt hatte und nach Stephen suchen ließ, um die Angelegenheit zu klären. Helen wusste nicht, wie die Bediensteten Hethe zuvor begegnet waren, mutmaßte aufgrund seiner sichtlichen Freude aber, dass dies das erste Lächeln seit Langem vonseiten seines Gesindes war. Sie wartete, bis die beiden gegangen waren, ehe sie eine entsprechende Bemerkung machte.
„Immerhin scheinen sie bereit zu sein, Eure Unschuld in Betracht zu ziehen“, sagte sie, nachdem die Tür sich geschlossen hatte. Helen setzte sich auf die Bettkante nahe der Truhe, auf der Speisen und Wein standen.
Er bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. „Es beschämt mich, aber ich habe früher nie gemerkt, dass sie mich fürchten und mir grollen. Wenn ich nun zurückschaue, geht mir auf, dass sie mich nie mit offenen Armen empfangen haben. Aber ich war ja auch so selten hier, dass ...“
„Warum?“, fiel sie ihm ins Wort, froh über die Gelegenheit, ihren Gemahl von seiner ursprünglichen Frage ablenken zu können. Sie wusste nicht recht, was sie hinsichtlich dieser Ehe empfand. Im Grunde fühlte Helen sich wohl damit - jedenfalls begann sie, in Hethe ein menschliches Wesen zu sehen. Aber die angenehmen Empfindungen waren schlicht zu neu, als dass sie das Bedürfnis hatte, sich eingehender damit zu befassen. Daher schien es ihr angeraten, sich anderem Gesprächsstoff zuzuwenden.
Hethe blieb so lange stumm, dass sie schon glaubte, er werde nicht antworten. Sie goss Wein ein, schaute fragend auf und sah Unsicherheit und Traurigkeit über seine Miene huschen. Als sie ihm den Becher anbot, lehnte er ab und schloss die Augen. Sie vermutete, er sei eingeschlafen, aber dann sprach er doch.
„In jungen Jahren“, setzte er langsam an, „habe ich diesen Ort gehasst.“
Das Geständnis verblüffte Helen. Holden war tatsächlich eine große, finstere Burg, aber das hätte nicht zwangsläufig so sein müssen. Das Gemäuer hatte lediglich nie den letzten Schliff erhalten, den eine Burg brauchte, um zur Heimstatt zu werden - Wandbehänge und Ähnliches. Die Feste war vernachlässigt worden, und das spürte man. Aber das war doch gewiss nicht immer so gewesen? Vielleicht hatte es zu Lebzeiten seiner Eltern hier anders ausgesehen?
„Als meine Mutter starb, war ich noch recht klein, und mein Vater war ein harter Mann“, erklärte er, als habe sie die Fragen laut gestellt. „Ich war eine Enttäuschung für ihn.“
Unmöglich! wollte Helen einwenden, aber er wischte ihren Trostversuch im Voraus beiseite.
„Doch, so war es. Er hat sogar William und Stephen mit mir gemeinsam unterrichten lassen, um mich zu beschämen und so dazu zu bringen, mich mehr anzustrengen. Er glaubte, dadurch meinen Ehrgeiz anstacheln zu können. Auf dass ich mir mehr Mühe gebe, um ,die beiden Dorfbengel zu übertreffen, wie er sie nannte. Er hat nicht erreicht, was er wollte.“ Hethe verzog unfroh den Mund. „Dabei habe ich mich tatsächlich angestrengt, wisst Ihr.
Aber ganz gleich, wie sehr ich mich geplagt habe, schien ich doch stets ins Hintertreffen zu geraten. William und Stephen entpuppten sich schließlich nicht etwa als Rivalen, sondern deckten mich, wo sie konnten. Wir wurden dicke Freunde. Das durfte mein Vater natürlich nicht erfahren, ansonsten hätte er sie fortgescheucht. Wenn er in der Nähe war, taten wir immer so, als könnten wir uns nicht ausstehen ... was zum Glück nicht oft notwendig war. Meine Ausbildung zum Ritter erhielt ich hier auf Holden. William und Stephen ebenfalls, auf Geheiß meines Vaters. Sie wurden zwei seiner besten Krieger.“
„Und Eure besten Freunde“, murmelte Helen.
Er nickte. „Sobald ich alt genug war, lief ich davon und suchte den Krieg, und die beiden kamen mit mir.“
„Das muss
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