Im Banne des stuermischen Eroberers
allem zu finden, das sie aufgefahren hatte, um ihn zu vergraulen. Während des Ausflugs hatte er den Spieß einfach umgedreht. Später
war sie und nicht etwa er in den Fluss gefallen, und nun griff er sie mit ihren eigenen Waffen an. Knoblauch! dachte sie wütend. Ich hätte auf einen Ersatzplan sinnen sollen, auf irgendetwas für den Fall, dass der erste Plan in die Binsen geht. Sie hätte seinen Haferbrei vergiften sollen. Oder ihm ein Messer ins Herz rammen.
Oder vielmehr hätte ich überlegen sollen, weshalb er die Ehe nicht gleich abgelehnt hat, ging ihr plötzlich auf. Gewiss hatte Helen sich mit ihren Beschwerdeschreiben an den König im Laufe der Jahre nicht gerade beliebt bei Lord Holden gemacht. Wieso hatte er sich nicht rundheraus geweigert, sie zu heiraten? Weshalb war er hergekommen, bereit, sich mit ihr zu vermählen?
Die Antwort war so schlicht und offensichtlich, dass Helen beinahe laut gestöhnt hätte. Tiernay, natürlich. Sie hatte nicht in Betracht gezogen, wie wohlhabend und begütert das Lehen war -und wie sehr ihn dies locken musste. Helen selbst war nur ein geringer Teil dessen, was er durch die Ehe gewinnen würde. Tiernay war die eigentliche Beute - eine, die zu erlangen sich lohnte. Mit einem Mal erkannte sie, in welchem Punkt sie sich geirrt hatte. Nicht sich selbst, sondern Tiernay hätte sie in möglichst schlechtem Licht erscheinen lassen müssen. Tiernay hätte sie einen üblen Ruch verleihen und schwarzmalen sollen.
Die Einsicht berauschte sie kurz, ehe sie erkannte, dass es für eine Umsetzung wohl zu spät war. Oder nicht? Konnte sie die Besiegelung der Ehe noch hinauszögern? Fand sie vielleicht doch noch einen Ausweg? Oh, sie musste!
Fiebrig vor Aufregung brachte sie die Feierlichkeiten hinter sich. Die Gedanken rasten ihr wie wild gewordene Mäuse durch den Kopf. Tiernay durfte keinen Anreiz mehr für Holden bieten. Ihr musste etwas einfallen, um das zu bewerkstelligen, und bis dahin würde sie ihn sich vom Leibe halten. Es musste zudem etwas sein, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Um sie her war das Festmahl in vollem Gange. Man stieß an, Zoten wurden gerissen, und es wurde viel gelärmt und gelacht.
Erst beim letzten Gang des Mahls hatte Helen endlich eine Eingebung. Abrupt stand sie auf, ohne sich um den verstörten, fragenden Blick ihres Gemahls zu kümmern, und eilte in die Küche. Wie erwartet, stieß sie dort auf Ducky.
Gedankenverloren rieb Hethe sich den Bauch und sah seine frischgebackene Gemahlin in der Küche verschwinden. Eine dunkle Vorahnung beschlich ihn. Er ließ den Blick zu ihrer Tante wandern, die ihrer Nichte besorgt nachschaute. Lady Helens Gebaren verhieß nichts Gutes. Ihm war nicht entgangen, wie schweigsam sie das ganze Mahl hindurch gewesen war. Sie hatte das Essen, das man ihr vorgesetzt hatte, nicht angerührt. Er meinte sogar gesehen zu haben, wie es in ihrem Kopf arbeitete, dass er ihren Mundgeruch schlicht dadurch bekämpft hatte, seinen eigenen Atem zu verpesten. Das war ihm gelungen - glaubte er jedenfalls. Da er selbst nur noch Knoblauch schmeckte, war es ihm nicht möglich gewesen zu ergründen, ob sie gegen die Vertragszusätze verstoßen hatte oder nicht. Aber das war auch gleich. Was zählte, war, dass ihr Atem ihn nicht im Mindesten behelligt hatte, nun da er selbst mit Knoblauch gefeit war. Und so hatte er den Kuss mehr genossen als erwartet. Die Hochzeitsnacht würde keine Prüfung für ihn werden.
Nun, da das Problem ihres widerwärtigen Atems aus der Welt geschafft war, sah er der bevorstehenden Nacht sogar freudig und hoffnungsfroh entgegen.
Die Küchentür schwang auf, und die Bewegung riss ihn aus seinen Gedanken. Gespannt sah er seine Braut zurück zur Tafel kommen. Sie wirkt ein wenig beklommen und in sich gekehrt, stellte er stirnrunzelnd fest. Als sie sich setzte, schaute er sie mit hochgezogener Braue an. Sofern sie die Frage in seinem Blick wahrnahm, ging sie jedenfalls nicht darauf ein, sondern hob lustlos den Wachtelschlegel vom Teller auf.
„Sagen Euch die Speisen nicht zu?“, fragte er zuvorkommend. Er wusste, dass ihr mangelnder Appetit nichts mit dem Mahl zu tun hatte, konnte sich die kleine Stichelei jedoch nicht verkneifen. Nicht nach all den Qualen, die sie ihn hatte durchleiden lassen, ganz zu schweigen von den Maßnahmen, die er hatte ergreifen müssen, um Zurückschlagen zu können. Beispielsweise selbst Knoblauch zu essen. Es war eine ungemein schlaue Idee gewesen, doch in seinem Magen rumorte es
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