Im Bett mit
die Rolle eines demütigen Bittstellers. Er wusste, wenn er sie schon einmal dazu gebracht hatte, an den Hof zurückzukehren und gar das Bett mit ihm zu teilen, genügte doch jeder geringste Anlass zur Unzufriedenheit, um eine neuerliche Abreise Elisabeths zu provozieren. Die Möglichkeit einer Trennung hing immer wie ein Damoklesschwert über dieser Ehe, deren Unglück es war, dass die Liebe, die darin ursprünglich bestanden haben mag, nicht ausreichte, um das Band der Gemeinsamkeit durch gegenseitiges Verständnis zu sichern.
Elisabeth, die ihren Kaiser anfangs mit einer echten kindlichen Zuneigung und Unterwürfigkeit geliebt haben mag, identifizierte später ihr eheliches Verhältnis mit all den widrigen Umständen, die ihr das Hofleben verhasst gemacht hatten. Mit ihrem Gatten zu leben, hieß für sie zugleich, all die Unsinnigkeiten ertragen zu müssen, die ihr von einer ebenso verständnis- wie rücksichtslosen Hofkamarilla auferlegt wurden. Sie nahm es ihrem Mann entschieden übel, dass er keine Anstrengungen unternahm, sie aus dem verhassten »Geschirr« zu befreien. Hinzu kam: Sie fühlte sich wohl eher als dekoratives Schmuckstück anstatt als denkender Mensch behandelt. So begann sie als erwachsene Frau, sich mehr und mehr auf ihr eigenes Selbst zu konzentrieren. Man pries sie als die schönste Frau Europas, und um den Kult ihrer Schönheit kreisten in den mittleren Jahren ihres Lebens nahezu all ihre Bemühungen.
Man könnte sie als moderne Frau im heutigen Sinn des Wortes bezeichnen. Versuchte sie doch mit allen Mitteln, die sich ihr boten, ihre Jugendlichkeit zu erhalten. Sie verbrachte Stunden damit, ihren Körper zu trimmen; um ihn schlank und beweglich zu erhalten, ließ sie sich bis zur Bewusstlosigkeit schnüren, um zu einer Taille von unglaublichen fünfzig Zentimetern zu gelangen. Aber geradezu unfassbar war der Kult, den sie mit ihrem außergewöhnlich schönen und langen Haar getrieben haben soll. Es musste stundenlang gebürstet und mit Nussöl behandelt werden. Wenn sie sich zum Schlafen begab, lag sie gerade auf dem Rücken und hatte ihr Haar wie einen Schleier rechts und links neben sich ausgebreitet. Sie versuchte, völlig regungslos zu liegen, um ihre Haarfülle nicht zu verwirren. Vor öffentlichen Auftritten soll sie stundenlange Séancen mit ihrer Friseurin gehabt haben, bis die den gewünschten Frisurenstil perfektioniert hatte. Oft verursachte ihr das Gewicht dieser Haarpracht heftige Kopfschmerzen. Dann zog sie sich in ihr Bett zurück, und ihre zu Zöpfen geflochtenen Haare wurden an Haken gehängt, um ihr Gewicht zu vermindern.
Im Lauf der Zeit begann ihr Kampf um die Erhaltung ihres Aussehens immer groteskere Züge anzunehmen. Weibliche Schönheit in all ihren Erscheinungsformen wurde für sie zu einer Art von Besessenheit. So legte sie für sich eine Sammlung von Porträts schöner junger Frauen an – vermutlich, um Vergleiche mit sich selber zu ziehen. Ihr Schönheitskult mutet uns heute, da Scharen schöner junger Frauen sich den Gefahren der Magersucht ausliefern, um den Anforderungen eines verirrten Schönheitsideals der extremen Schlankheit zu genügen, durchaus modern an. Elisabeth nahm oft nur ein wenig Fleischsaft, Obst und einige Eier zu sich und forderte ihrem Körper darüber hinaus durch ihre exzessiven sportlichen Leistungen das Äußerste ab. In ihren privaten Räumen hatte sie ein wahres Arsenal von Trimmgeräten, die einem heutigen Fitnessstudio durchaus zur Ehre gereicht hätten. Ihre persönlichen Betten waren durchwegs so schmal, dass sie nur einer einzigen Person spärlich Platz boten.
Das eheliche Schlafzimmer mit den brav nebeneinandergestellten Einzelbetten wurde im Verlauf dieser seltsamen Ehe immer seltener das Ziel gemeinsamer Stunden. Es scheint, dass Elisabeth schon ziemlich bald damit begonnen hatte, ihre Abneigung gegen den Hof auch auf ihre Ehe zu übertragen, soweit es deren physische Seite betraf. Viel später soll sie ihrer in Ungarn geborenen Lieblingstochter Valerie gesagt haben, sie könne nicht begreifen, wie man sich die Ehe wünschen und von ihr etwas Gutes erwarten könne, und kurz vor deren eigener Vermählung dies mit der Bemerkung verschärft haben, sie finde die Ehe widernatürlich.
In ihrer eigenen Vorstellung wurde sie mehr und mehr zur »Feenkönigin« Titania, die ihr Nachtlager aus Versehen mit einem Esel teilt, wobei allerdings nicht explizit der kaiserliche Gatte gemeint war, sondern ganz allgemein die sexuelle Seite
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