Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
vorbei war und der Himmel aufklarte und allmählich wieder blau wurde, nahm ich Alafairs Piroge und ruderte damit hinaus in den Sumpf. Das Regenwasser tropfte von den hellgrünen Zypressen, und auf jedem Stück Treibholz und sämtlichen grauen Sandbänken hockten Nutrias.
Ich ließ die Piroge in eine schmale Bucht gleiten, aß ein Schinkensandwich mit Zwiebeln und trank aus dem Krug mit kaltem Früchtetee, den ich mitgenommen hatte.
Wenn man an einem Fall arbeitet, bei dem einem die Beteiligten und die Ereignisse überlebensgroß vorkommen, setzt man sich oft über die Kleinigkeiten hinweg, die anfänglich wie Zutaten zu einem Kriminalroman anmuten. Mit den Spuren am Tatort lassen sich Verbrechen selten lösen. Die Masse der Gauner, mit deren Untaten wir uns per Computer und in den Kriminallabors befassen, schließen für gewöhnlich ihre Akte von selbst, indem sie sich und andere erschießen, sich eine Überdosis schlechter Drogen verpassen, sich Aids zuziehen, beim Begehen einer weiteren Straftat hopsgenommen werden oder unter Umständen einen Schnapsladen überfallen, dessen Besitzer es satt hat, sich ständig ausrauben zu lassen, und sie mit einem Produkt der Firma Smith & Wesson empfängt.
Vor etlichen Jahren verbreiteten die Medien Gerüchte, wonach Jimmy Hoffas Leichnam im Betonfundament unter den Torpfosten eines Footballstadions eingegossen worden sei. Jedesmal, wenn jemand den Punkt beim Zusatzkick erzielte, standen Hoffas alte Kollegen angeblich auf und schrien: »Der ist für dich, Jimmy!«
Eine gute Geschichte. Ich bezweifle bloß, daß sie stimmt. Der Mob hat nichts übrig für Poesie.
Ein Killer aus New Orleans, der zugab, daß er ab dreihundert Dollar aufwärts Menschen umgebracht hatte, erzählte mir, daß Hoffa zu Fischfutter zermahlen und eimerweise vom Heck eines Kabinenkreuzers gekippt worden sei, daß man danach das Deck und die Bordwände abgespritzt und gewischt habe, bis wieder alles blütenweiß und rein war. Und all das in Sichtweite von Miami Beach.
Ich glaubte ihm.
Der Leichnam des Mannes, der sich Jack genannt hatte, war vermutlich von einem Profi verstümmelt worden – zumindest hatte einer die entsprechenden Anweisungen dazu gegeben. Aber den Toten mit Angelschnur zu umwickeln und mit Alteisen beschwert in der Nähe eines schiffbaren Kanals zu versenken, das deutete ganz auf einen Amateur hin, und einen faulen zudem, sonst hätten wir ihn nämlich nie gefunden.
Ich rief Helen in der Dienststelle an.
»Was ist skrupellos, faul und durch und durch blöde?« fragte ich.
»Der Typ, der deine Anrufe entgegennimmt?«
»Was?« sagte ich.
»Der Alte hat Rufus Arceneaux auf deine offenen Fälle angesetzt.«
»Pfeif auf Rufus. Wir haben etwas übersehen, als wir die Wasserleiche rausgezogen haben. Sie war doch mit Angelschnur umwickelt und mit Alteisen beschwert.«
»Ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Ich versuch’s noch mal. Was ist pervers, für jede Schlechtigkeit gut, sieht ohnehin aus wie ein Leichenschänder und würde jeden feuchten Traum vermasseln?«
»Sweet Pea Chaisson«, sagte sie.
»Clete und ich sind bei seinem Haus an der Straße nach Breaux Bridge gewesen, bevor wir diesen Zusammenstoß mit ihm und Patsy Dap in Lafayette hatten. Mir ist eingefallen, daß auf dem Nachbargrundstück ein Haufen Baumaterial herumlag – möglicherweise auch Schrott von einem Installateur.«
»Ganz schön gut, Streak.«
»Das reicht für einen Durchsuchungsbefehl«, sagte ich.
»Danach nehmen wir seinen Caddy auseinander. Vielleicht stimmt das Blut auf dem Teppichboden ja mit den Proben überein, die du in dem Wohnwagen hinter der Kneipe aufgekratzt hast. Dave, sieh zu, daß du mit dem Alten ins reine kommst. Ich kann nicht mit Rufus zusammenarbeiten.«
»Das ist nicht meine Sache.«
»Hast du gehört, daß Patsy Dap in der Stadt ist?«
»Nein.«
»Hat dir niemand Bescheid gesagt?« fragte sie.
»Nein.«
»Er ist gestern wegen überhöhter Geschwindigkeit auf der East Main Street angehalten worden. Der Stadtpolizist hat ihm eine Anzeige verpaßt und uns anschließend angerufen. Tut mir leid. Ich dachte, jemand hätt’s dir gesagt.«
»Wo ist er jetzt?«
»Wer weiß? Irgendwo, wo sich verunstaltete Paranoide eben rumtreiben.«
»Halt mich über den Durchsuchungsbefehl auf dem laufenden, ja?« sagte ich.
»Du bist ein guter Cop, Dave. Du landest wieder hier bei uns.«
»Du bist klasse, Helen.«
Ich ging hinunter zum Bootsanleger. Die Luft war heiß und stickig, und
Weitere Kostenlose Bücher