Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
unsern Mann hinter ’nem schwarzen Tanzschuppen aufgetan. Er hat grade eine von seinen Miezen mit ’ner zusammengerollten Zeitung windelweich geprügelt.«
»Das war meine Frau«, sagte Sweet Pea.
Clete warf ihm die Bierdose in den Schoß.
»Wasch dir den Mund aus. Du stinkst«, sagte er.
»Danke, Purcel«, sagte Sweet Pea, riß die Lasche auf und nahm einen tiefen Zug aus der Dose. Sein Gesicht war voller Schweißtropfen und Staubkörner. »Wo sind wir überhaupt?«
Er schaute zu dem lila Dunst, der über den Zuckerrohrfeldern hing. »O je, das Grab meiner Mutter war genau auf der andern Seite von den Bahngleisen.«
»Wer hat Sonny zum Abschuß freigegeben?« fragte Clete.
»Ich wohn jetzt in Breaux Bridge. Dort isses schon ’ne Riesenneuigkeit, wenn ein Krebs auf dem Highway überfahrn wird. Woher soll ich das wissen?«
Sweet Pea setzte die Bierdose an den Mund. Clete trat sie ihm ins Gesicht. Sweet Peas Lippen waren mit einemmal hellrot, von seinen Augenbrauen tropfte der Bierschaum, und seine Züge zuckten unter der Wucht des Hiebs. Aber er gab keinen Ton von sich. Ich schob Clete von ihm weg.
»Das reicht«, sagte ich.
»Spazier ein Stück die Straße runter. Genieß den Abend. Komm in zehn Minuten wieder«, sagte er. Sein blauschwarzer 38er lag in seiner Hand.
»Wir bringen ihn dahin zurück, wo du ihn her hast. So und nicht anders, Clete.«
»Du verpfuschst alles, Streak.«
Ich hörte, wie sich Sweet Pea hinter mir im Gras bewegte, langsam aufstand.
»Bleib, wo du bist, Sweet Pea«, sagte ich.
Er setzte sich auf einen Baumstamm, steckte den Kopf zwischen die Beine und ließ Blut und Speichel aus seinem Mund tropfen. Als er zu mir aufschaute, hatte sich seine Miene verändert.
»Ihr seid doch bloß zwei Clowns, die draußen im Wald den großen Max markiern«, sagte er. Seine kleinen scharfen Zähne sahen aus wie mit Mercurochrom eingefärbt.
Clete ging auf ihn zu. Ich legte ihm die Hand auf die Brust.
»Was wißt ihr denn schon?« sagte Sweet Pea. »Habt ihr schon mal gehört, daß nachts bei den Bertrands ein Lichtschein über der Erde hängt? Dort, wo die Sträflinge umgebracht und in Ketten begraben worden sind. Ihr Scheißer meint wohl, ihr wärt was Besonderes?«
»Das hört sich ziemlich wirr an, Sweet Pea«, sagte ich.
»Der Schuppen, wo ich meine Bräute hinbring, wieso bleibt der wohl offen? Er gehört Bertrand.«
»Das stimmt nicht, Partner. Ich habe sämtliche Grundbucheintragungen für das Land hier in der Gegend gesehen.«
»Er gehört zu einem Kon ... einem Konsor ... oder so was Ähnlichem ... wie sagt man doch dazu?«
»Ein Konsortium.«
»Genau«, sagte er. »Hey, Purcel, du schaust aus, als ob du ein Klistier brauchst. Wieso schiebst du dir nicht die Knarre in den Arsch?«
Clete holte eine Lucky Strike aus seiner Hosentasche und steckte sie an. Dann pulte er eine Tabakfaser von seiner Unterlippe und schnippte sie in die Luft. Auf dem Bahndamm hinter dem Zuckerrohrfeld rauschte ein Amtrak mit hellerleuchteten Fenstern vorbei. Sweet Pea saß auf dem Baumstamm, schaute auf den Zug und kratzte sich an der Backe, als ob wir nicht mehr da wären.
»Du hast großes Glück, Sweet Pea«, sagte ich.
»Ja? Sag deiner Frau, daß ich ’ne Stelle frei hab. Für ’ne ältere Braut wie die mach ich sogar ’ne Ausnahme. Bloß normale Nummern, kein Französisch«, sagte er.
Ich träume in dieser Nacht von Menschen, die in Grotten unter dem Meer leben. Ihre Arme und Schultern sind mit silbernen Federn überzogen; funkelnde Feuerpunkte tanzen auf ihrer abalonenbleichen Haut
.
Ich kannte einmal einen Sanitätshubschrauberpiloten aus Morgan City, dessen Mühle genau an der Einstiegsluke von einer Rakete getroffen wurde. Sie war voller Munition und verwundeter Zivilisten, und als sie mitten im Fluß abstürzte, verbrannten oder ertranken die meisten von ihnen. Nach dem Krieg wurde er geisteskrank und versenkte auf sämtlichen Wasserwegen in Südlouisiana Jesusstatuen aus Plastik. Er behauptete, daß die Erde von Wasser umgeben sei, daß ein Bayou im Atchafalaya-Becken eine Verbindungsader zu einer überfluteten, mit Reis bestandenen Ebene im Mekong-Delta sei, daß eine Plastikstatue all die Ertrunkenen trösten könne, deren Stimmen noch immer aus dem schlickverkrusteten Hubschrauberwrack zu ihm sprächen.
Als er sich erhängte, ließen sich die Medien lang und breit über seine Geisteskrankheit aus. Aber ich für meinen Teil glaubte fest an Wassermenschen und Stimmen, die durch
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