Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Feuer der Smaragde

Titel: Im Feuer der Smaragde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
Vom Netzwerk:
sich gerade jetzt an seine Vergangenheit als Straßenräuber erinnerte, wo er doch schon seit Jahren nicht einmal mehr an England gedacht hatte. Er war mit dreizehn von zu Hause weggelaufen, weg von seinen Eltern, einem frömmelnden Paar, das sich seinen Gebeten und der Heuchelei hingab, eine Mission für Seeleute am Hafen unterhielt und darauf erpicht war, Seelen zu retten.
    »Mit Prügel und Peitsche«, knurrte Jack, als er sich aufs Bett legte. Die meisten Seeleute merkten rechtzeitig, dass es die Nächstenliebe nicht umsonst gab, und mieden die Mission der Wodrows, doch einige ließen sich dazu überreden, ihre Sünden zu beichten, und durften die Schläge des Reverends über sich ergehen lassen, während seine Frau Hymnen dazu sang. Natürlich durchdrang die Gewalt auch den Alltag der Familie. Die kleinen Söhne – Jack war der Ältere – mussten tagtäglich Prügel und Kopfnüsse ertragen. Jack nannte seine Mutter Clara heimlich »Kopfnuss«, weil sie nie an ihnen vorbeigehen konnte, ohne ihnen einen Schlag zu versetzen. Sie betrachtete ihre Jungen als Sünder, die mit harter Zucht dem Herrn zugeführt werden mussten, und behandelte die Kinder noch grausamer als der Vater. Manchmal zitterten sie vor Kälte, durften aber nicht die warme Küche betreten, während ihnen der Vater zu erklären suchte, ihre Mutter sei eine gute Frau und wolle nur ihr Bestes.
    Jack verzog das Gesicht. »Hector, du Narr«, murmelte er. »Du hast diesen Mist tatsächlich geglaubt.« Jack war realistischer als sein jüngerer Bruder, hielt seine Mutter für schlichtweg boshaft und seinen Vater Mervin für einen kompletten Idioten. Er hatte erlebt, wie sehr Reverend Wodrow es genoss, leichtgläubige Seeleute zu verletzen und zu demütigen, und auch die andere Seite seines Vaters gesehen, der vor den reichen Wohltätern, die zum Hafen kamen, um seine guten Taten zu besichtigen, im Staub kroch. Jack begriff bald, dass diese Menschen es seltsam erregend fanden, einen Blick in die verdorbene Unterwelt Londons zu werfen. Beinahe alle spendeten für die Mission, ohne zu wissen, dass der größte Teil in Kopfnuss’ Geldkassette wanderte, die sie verschlossen in einem schweren Eichenschrank oben in ihrem Schlafzimmer aufbewahrte. Die Wohltäter glaubten, die Wodrows lebten in dem winzigen Steinhäuschen hinter der Mission, weil die beiden Jungen dort bei den Hausaufgaben saßen, doch darin irrten sie. Sobald die Mission abends schloss, flüchtete die Familie über den Kanal in ihr gepflegtes Cottage, das anderthalb Meilen entfernt hinter einer hohen Mauer lag. Die Wohltäter wunderten sich kaum, wenn sie in dieser kriminellen Gegend ihre Geldbörsen oder andere Wertgegenstände an Taschendiebe verloren, wären aber überrascht gewesen, hätten sie gewusst, dass einer dieser Taschendiebe niemand anderer war als der ältere Sohn des Reverends, der sein Handwerk bei den örtlichen Langfingern gelernt hatte.
    Nachdem Jack auf diese Weise mehrere Pfund zusammengetragen hatte, wollte er bei seiner Flucht auch noch die Geldkassette mitnehmen, hatte aber zu lange gewartet. Kopfnuss hatte aus Angst, das Haus könne in ihrer Abwesenheit ausgeraubt werden, die stattliche Summe zur Bank getragen. Ihr Sohn hatte mittlerweile genug von seinen Eltern, er konnte die Flucht nicht länger aufschieben. Seinen zehnjährigen Bruder wollte er mitnehmen, doch Hector fürchtete sich vor dem radikalen Schritt. Er hatte Angst, Jehova könne ihn niederstrecken. Jack tauchte wie benebelt aus diesen Erinnerungen auf. Er lag noch immer auf dem Bett und streichelte den Revolver. Er würde ihn wohl doch besser zurückgeben. Der Major hing offensichtlich sehr daran, und es hatte keinen Sinn, ihn zu reizen. Außerdem konnte er die übrigen Waffen jederzeit ausfindig machen, dachte Jack grinsend.
    Er ging ins Esszimmer und legte den Revolver vor seinen Gastgeber auf den Tisch, der nur nickte und weiter von seinem riesigen Steak aß. »Was für ein Job ist das?«, wollte Jack wissen. »Ich werde beim Essen nicht gern unterbrochen. Du wirst in Zukunft anklopfen, bevor du mein Haus betrittst, und mich mit Sir ansprechen. Verstanden?« »Ja. Ich warte auf der Veranda. Ich habe jede Menge Zeit.«
    Er ging durch die Flügeltür und wünschte, er könnte die Kleider ausziehen, die an den Wunden scheuerten. Er schaute ins Tal hinunter. In der Ferne verbrannten Männer Gestrüpp auf dem gerodeten Gelände, der Rauch kräuselte sich träge in der feuchten Luft, und über ihnen kreiste

Weitere Kostenlose Bücher