Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
sie die Armee aus Mekka auf. Diese gab nach einer zweiwöchigen, erfolglosen Belagerung schließlich auf und zerstreute sich.
Irgendwann wurde den Bewohnern Mekkas klar, dass sie der Entschlossenheit der wachsenden muslimischen Armee nichts entgegenzusetzen hatten und die stetige Ausbreitung der Botschaft des Propheten nicht aufhalten konnten. Ohnehin hatten die jahrelangen Konflikte verheerende Auswirkungen auf den Handel. Im Jahr 628 wurde schließlich zwischen den Quraysh aus Mekka und den Anhängern Mohammeds der Friedensvertrag von Hudaybiyya unterzeichnet. Zwei Jahre später unterwarf sich Mekka der Armee des Propheten, die ohne Widerstand in die Stadt einrückte.
Während dieser ganzen Zeit hatte Mohammed weiterhin Offenbarungen erlebt und seinen Anhängern darüber berichtet. Diese wiederum lernten das Gehörte auswendig oder schrieben es auf. Nach seinem Tod wurden die Offenbarungen in einer Reihe von 114 Kapiteln oder Suren gesammelt und bildeten ein Buch, das allgemein als Koran (»Lesung«) bekannt wurde. Nach übereinstimmender Ansicht der meisten Fachleute einigte man sich auf die endgültige Fassung des Korans erst zur Zeit des dritten Kalifen Uthman, der von 644 bis 656 herrschte. Das Wort »Kalif« (arabisch khalifa ) bedeutet wörtlich »Nachfolger« (des Propheten).
Als der Prophet im Jahr 632 starb, hatte sich der Islam – das Wort bedeutet »Unterwerfung [unter den Willen Gottes]« – über die ganze arabische Halbinsel verbreitet. In der entstehenden Gemeinschaft lief aber nicht alles glatt: Innerhalb der Familie des Propheten selbst herrschten starke Meinungsverschiedenheiten über die Nachfolge. Solche Unsicherheiten wurden jedoch schnell ausgeräumt, als Abu Bakr, der Schwiegervater des Propheten, sich den Mantel des ersten der vier Kalifen überzog, die als al-Rashidun (»die richtig Geleiteten«) bekannt wurden. In kurzer Zeit schlug er mehrere Aufstände nieder, die in Arabien ausgebrochen waren, und es gelang ihm, das schnell expandierende islamische Reich zu stabilisieren. Dabei hatte er das Glück, dass in seinen Diensten einer der größten Militärbefehlshaber aller Zeiten stand: Khalid ibn al-Walid, der bereits als führender Kopf hinter vielen Siegen der neuen muslimischen Armee gestanden hatte. Unter seinem Kommando fiel eine Stadt nach der anderen bis tief in das byzantinische Territorium im Norden Arabiens hinein an die Muslime, und 634 hatten sie sogar Damaskus unter ihrer Kontrolle. Abu Bakr starb nach nur zwei Jahren. Auf ihn folgte Umar ibn al-Khattab (634–644), der zweite der Rashidun-Kalifen; unter seiner Führung erweiterte das Reich seine Grenzen mit Hilfe immer ehrgeizigerer Feldzüge bis nach Syrien, Ägypten, in den Irak und nach Persien.
Im Jahr 637 brachte Khalids Armee den viel größeren byzantinischen Streitkräften eine berühmte, verheerende Niederlage bei; dies geschah in der Schlacht von Yarmuk östlich des Sees Genezareth an der Grenze zwischen dem heutigen Syrien, Israel und Jordanien. Der Kaiser Heraclius hatte eine Armee zusammengestellt, der neben christlichen Arabern aus der Levante auch Armenier, Slawen, Franken und Georgier angehörten. Sie hatten aber Khalids genialer Taktik nichts entgegenzusetzen. Heraclius selbst musste aus dem Norden Syriens in seine Hauptstadt Konstantinopel fliehen, während die islamischen Streitkräfte die Städte Jerusalem, Aleppo und Antiochia einnahmen. Zur gleichen Zeit, als die Byzantiner auf dem Rückzug waren, richtete die muslimische Erobererarmee ihre Aufmerksamkeit nach Osten auf das persische Reich. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis sie 651 der Sassanidenherrschaft ein Ende bereitete; bis aber die Mehrzahl der Perser sich zum Islam bekehrte, vergingen noch viele Generationen.
Uthman (644–656), der dritte Kalif, war ein sanfterer Charakter als Umar. Er war zwar mitfühlender und großzügiger, aber auch eine schwache Führungsgestalt, die sich leicht von der korrupten, machthungrigen Sippe der Umayyaden beeinflussen ließ. Seine Schwäche führte im ganzen Reich zu Unruhen, die ihren Höhepunkt in seiner Ermordung durch ägyptische Rebellen fanden. Sein Nachfolger wurde Ali ibn abi Talib (656–661), der vierte und letzte Rashidun-Kalif. Ali war der Schwiegersohn des Propheten und wird bis heute von Millionen Muslimen auf der ganzen Welt als erster schiitischer Imam verehrt. Er verlegte die Hauptstadt von Medina in die muslimische Garnisonsstadt Kufa im Irak, die jetzt als Herz des neuen Reiches eine
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