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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
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Muttersprache, und häufig wird die Vermutung geäußert, er sei ein sufistischer Mystiker gewesen; viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass er ein agnostischer Muslim war.
    Khayyams größter Beitrag waren seine Arbeiten über kubische Gleichungen (in denen die Unbekannte x in Potenzen bis x 3 vorkommen kann). In seiner berühmten Abhandlung über die Demonstration von Problemen der Algebra unterscheidet er zwischen 13 Typen kubischer Gleichungen und formuliert eine allgemeine Theorie für ihre Lösung. Außerdem entwickelte er algebraische und geometrische Methoden, mit denen sie sich systematisch und elegant lösen lassen; dazu bediente er sich der Methode der Kegelschnitte (bei denen man einen Kegel in unterschiedlichen Winkeln durchschneidet, so dass verschiedenartige Kurven entstehen, nämlich Kreise, Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln).
    Als Omar Khayyam Mitte 20 war, maß er mit Hilfe einfacher Instrumente wie Sonnenuhr, Wasseruhr und Astrolabium die Länge des Sonnenjahres; dabei gelangte er zu dem unglaublich genauen Wert von 365,24219858156 Tagen, was bis auf die sechste Dezimalstelle mit dem heute bekannten Wert übereinstimmt. Auch dieser Unterschied muss nicht unbedingt auf einer Ungenauigkeit in Khayyams Messungen beruhen, sondern er könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Rotation der Erde um ihre Achse sich allmählich verlangsamt; deshalb verkürzt sich die Tageslänge ein wenig (nämlich in jedem Jahrhundert um zwei Millisekunden). Die genaue Zahl der Tage in einem Jahr nimmt also ab. Im Vergleich zu Khayyams Zeit hat sich die Länge des Jahres in der sechsten Dezimalstelle oder um eine Zweihundertstelsekunde verändert. Einige Jahre später stellte Khayyam anhand seiner Messungen einen Kalender auf, [111] der sogar noch präziser war als die heute gebräuchliche gregorianische Einteilung, die nur bis auf einen Tag in 3330 Jahren genau ist. An dem Projekt, das 1079 vollendet war, arbeitete neben Khayyam eine ganze Gruppe von Astronomen mit; diese führten mehrere Reformen im persischen Kalender ein, der seinerseits im Wesentlichen auf den Prinzipien des hinduistischen Kalenders beruhte. Er wurde nach dem Seldschukensultan (arabisch seljuq), der ihn in Auftrag gegeben hatte, als Jalali-Kalender bezeichnet und war in Persien bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Gebrauch. In seiner Abhandlung über die Demonstration von Problemen der Algebra lässt Khayyam auch auf bemerkenswerte Weise erkennen, welche Einstellung in der Allgemeinheit gegenüber der Wissenschaft vorherrschte. Man kommt nicht um die Frage herum, in welchem Umfang sich solche Haltungen innerhalb von 1000 Jahren verändert haben:
Ich war nicht in der Lage, mich dem Studium dieser Algebra und der fortgesetzten Konzentration auf sie zu widmen, weil die Unwägbarkeiten der Zeit mir Hindernisse in den Weg legten; denn wir sind aller wissenden Menschen beraubt worden, außer einer Gruppe, klein an Zahl, welche unter vielen Schwierigkeiten in ihrem Leben danach trachtet, die Gelegenheit zu ergreifen, wenn die Zeit schläft, um sich währenddessen der Untersuchung und Vervollkommnung einer Wissenschaft zu widmen; denn die Mehrzahl derer, welche Philosophen nachahmen, verwechseln das Wahre mit dem Falschen, sie tun nichts, als zu betrügen und Wissen vorzutäuschen, und sie nutzen nicht das, was sie über die Wissenschaften wissen, außer aus niedrigen, materiellen Absichten; und wenn sie sehen, dass ein bestimmter Mensch nach dem Richtigen sucht und die Wahrheit bevorzugt, dass er sein Bestes tut, um das Falsche und Unwahre zu widerlegen, und wenn er dabei auch Heuchelei und Täuschung meidet, halten sie ihn zum Narren und machen sich über ihn lustig. [112]

9
    Der Philosoph
Es sollte uns nicht peinlich sein, wenn wir die Wahrheit zu schätzen wissen und sie aufnehmen, woher sie auch kommen mag, selbst wenn sie von weit entfernten Rassen kommt und von Nationen, die anders sind als wir. Nichts sollte dem Wahrheitssuchenden lieber sein als die Wahrheit selbst, und es gibt weder eine Verminderung der Wahrheit noch eine Herabsetzung dessen, der sie ausspricht oder übermittelt.
Ya’qub ibn Ishaq al-Kindi
    Zu den Formulierungen, die ich in diesem Buch immer wieder verwendet habe, gehört die vom »Geist der rationalen Forschung«; damit meine ich das Gefühl, das die intellektuelle Atmosphäre im Bagdad der Zeit al-Ma’muns beherrschte. Ich habe außerdem die Vermutung geäußert, dass dieser Geist zu einem erheblichen Teil auf

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