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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Temperaturschwankungen hatten im Verlauf der Jahre das Gestein des Landeplatzes bersten lassen, und die fremden Blumen hatten von jeder noch so kleinen Öffnung Besitz ergriffen. Das Gestein war von Bitterblumen übersät. Die Reben der Frostblumen, die sich um das Schiff rankten, waren auf die doppelte Stärke angewachsen. Shawn hatte sie dünner in Erinnerung gehabt. Die großen Blüten voller heller Farben schaukelten leise im Wind.
    Doch sonst bewegte sich nichts.
    Shawn umrundete das Schiff dreimal und wartete darauf, daß sich eine Tür auftat, daß jemand sie bemerken und heraustreten würde. Doch wenn das Metall ihre Ankunft bemerkt haben sollte, so machte es keine Andeutungen, dies kundzutun. Am anderen Ende des Schiffes – man konnte es nicht so ohne weiteres sehen -
    entdeckte Shawn etwas, das ihr zuvor nicht aufgefallen war. Eine Inschrift, verwittert, aber immer noch entzifferbar, bedeckt von Eis und Blumen. Shawn säuberte sie mit ihrem Langmesser von Eis und Reben, um sie entziffern zu können:

    MORGAN die FEE
    Registration: Avalon 4763319

    Shawn lächelte. Selbst der Name war eine Lüge gewesen.
    Aber das machte jetzt auch nichts mehr aus. Sie formte mit den behandschuhten Händen einen Trichter vor dem Mund.
    »Morgan!« rief sie. »Ich bin’s, Shawn.«
    Der Wind blies ihr die Worte von den Lippen.
    »Laß mich herein, Morgan! Belüge mich, Morgan, Zauberin! Es tut mir alles so leid. Belüge mich und mach, daß ich es glaube!«
    Aber keine Antwort erfolgte. Shawn grub sich in einer Grube im Schnee ein und setzte sich hin, um zu warten.
    Sie war müde und hungrig, und die Dämmerung stand bevor. Schon konnte Shawn die eisblauen Augen des Lenkers erkennen, die durch die dichter werdenden Schatten der Dämmerung herabstarrten.
    Als Shawn endlich einschlief, träumte sie von Avalon.

    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Marcel Bieger  

Die Unzertrennlichen

    Brand wachte im Dunkeln auf, er zitterte und schrie auf.
    Sein Engel kam zu ihm.
    Auf weichen goldenen Flügeln schwebte sie über ihm und lächelte. Ihr Gesicht war ganz Unschuld, mädchenhaft lieblich. Die großen, bernsteinfarbenen Augen leuchteten klar, und das honiggelbe Haar tanzte geschmeidig in der Schwerelosigkeit. Ihr Körper war weiblich, glatt, schlank und perfekt. Eine Puppenfrau, in kleiner Stückzahl produziert.
    »Brand«, sagte sie und blickte hinunter auf sein Schlafnetz, »zeigst du mir heute die Unzertrennlichen?«
    Er lächelte ihr zu, seine Träume verblaßten. »Ja, Engel«, sagte er. »Heute, ganz bestimmt. Und jetzt komm zu mir.«
    Aber sie wich seinem ausgestreckten Arm kokett aus.
    Ein goldener Schimmer belebte ihr scheinbar verschämtes Gesicht, und die Locken hüpften wie seidene Federn. »Oh, Brand«, sagte sie. Als er fluchend das Schlafnetz öffnete, kicherte sie und schmollte süß.
    »Du darfst mich nicht haben«, sagte sie mit kindlicher Stimme. »Ich bin noch so klein.«
    Brand lachte, langte nach dem nächsten Haltegriff, zog sich aus dem Netz und segelte dem Engel entgegen.
    Brand kam gut zurecht mit der Schwerelosigkeit. Zehn Jahre lang hatte er üben können. Aber der Engel hatte Flügel.
    Sie wallten und kräuselten sich sanft, als der Engel zur Seite auswich. Brand rollte geschickt durch die Luft, landete mit den Füßen an der Wand und sprang sofort wieder ab. Mit einem dumpfen Schlag prallte er gegen die Decke und stöhnte laut auf.

    »Ohh«, sagte sie. »Hast du dir weh getan, Brand?« Sie schwebte mit aufgeregt flatternden Flügeln neben ihm.
    Er grinste und warf seinen Arm um sie. »Nein«, sagte er, »aber ich habe dich. Seit wann hält mich mein Engel zum Narren, eh?«
    »Ach, Brand«, antwortete sie. »Es tut mir leid. Es war nur Spiel. Ich wäre schon von allein gekommen.« Sie versuchte, eine Leidensmiene aufzusetzen, aber trotz redlicher Mühe entwich ihr ein winziges Lächeln.
    Leidenschaftlich umarmte er ihren sonderbar kühlen Körper. Sie schmiegte sich an, schlang ihre feinen Arme um ihn, und er küßte sie.
    Frei schwebend und nackt liebten sie sich, und Brand genoß das sanfte Streicheln ihrer Flügel.

    Als sie fertig waren, glitt Brand zum Kleiderspind, um sich anzuziehen. Der Engel schwebte mit matten Flügeln neben ihm. Die kleinen Brüste hatten immer noch den goldenen Hauch der Erregung.
    »Du bist so hübsch«, sagte sie, als er in einen schwarzen Overall schlüpfte. »Warum verhüllst du dich, Brand? Warum kannst du nicht nackt bleiben wie ich, damit ich dich betrachten

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