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Im Haus meines Feindes

Im Haus meines Feindes

Titel: Im Haus meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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verblüfft, um erschrocken aufzuschreien. Seine Haut war so braungebrannt, daß sie kaum mehr menschlich wirkte, sondern an die gegerbten Häute erinnerte, die sie nebenan gesehen hatte. Sein Gesicht bestand aus einem Gewirr kreuz und quer verlaufender tiefer Runzeln und Falten. Er war bis zu den Hüften nackt, aber fast die Hälfte seines Oberkörpers wurde von einem krausen grauen Vollbart verdeckt, der an spanisches Moos erinnerte.
    Sein Bart stand nicht in Flammen. Er hatte sich nur eine Zigarette in den Mundwinkel geklemmt.
    Als er seine schwieligen Hände nach ihr ausstreckte, wich sie vor ihnen zurück. Seine Berührung war jedoch überraschend sanft. Er hob ihre linke Schulter hoch, bis sie fast auf der Seite lag. Sie stöhnte vor Schmerz und schrie laut auf, als er auf eine Stelle unterhalb des Schulterblatts drückte.
    Â»Tut mir leid, chérie«, sagte er brummig. »Ich weiß, daß das jetzt weh tut, aber Dredd kriegt alles wieder hin.«
    Er wälzte sie sanft auf den Rücken zurück und wandte sich
ab. »Du stehst mir im Licht«, sagte er gereizt und schob Pater Kevin weg, der sich herandrängte.
    Â»Wie schlimm ist sie verletzt? Wird sie wieder? Kommst du damit zurecht?«
    Â»Ach, jetzt fragst du plötzlich! Wo du mich schon überrumpelt hast mit einer Frau, die Schußwunden hat und nur halb bei Bewußtsein ist, und einem Priester, der übel zusammengeschlagen wurde. Jetzt, wo sie mir das ganze Bett vollgeblutet hat, fragst du mich, ob ich damit zurechtkomme?«
    Â»Und, was sagst du?«
    Â»Natürlich komme ich damit zurecht – wenn du mich in Ruhe arbeiten läßt. Zum Glück war’s nur Vogelschrot, aber sie hat mehrere Kugeln abbekommen.«
    Â»Was kann ich tun?«
    Â»Du kannst mir aus dem Weg gehen.«
    Remy schloß die Augen. Ich bin angeschossen worden?
    Als sie darüber nachgrübelte, fiel ihr alles wieder ein: die Panne mit dem Bus, das Café, die Schlägerei, der Geistliche mit einer Pistole …
    Sie schlug rasch wieder die Augen auf. Er stand neben dem Bett, blickte auf sie herab und starrte sie so unverwandt an, wie die Eule sie betrachtet hatte. Seine Flüche, sein Kampfgeist und sein ganzes Verhalten sprachen dagegen, daß dieser Mann ein Priester war. Ein Teil ihres Verstandes fragte sich nüchtern, wie sie so naiv hatte sein können. Bei näherer Betrachtung hatte er gar nichts Frommes an sich. Er strahlte eine Intensität aus, die mit der Gnade und dem Frieden – Lohn derer, die auf dem Pfad des Herrn wandeln – nicht vereinbar war. Sein Mund war nicht für Gebete gemacht. Er war zu hart, zu zynisch, besser für grobe Worte geeignet. Er war leidenschaftlich – aber nicht in seiner Liebe zu Gott oder seinen Mitmenschen. Obwohl er völlig unbeweglich dastand, schien er vor innerer Hitze zu vibrieren. Es ängstigte sie. Nicht nur ihretwegen, sondern auch um seiner selbst willen.

    Der Mann namens Dredd kam mit einem vollen Glas zurück.
    Pater Kevin nahm es ihm aus der Hand und roch mißtrauisch daran. »Was ist das?«
    Â»Mische ich mich in deinen Kram ein?« fragte Dredd beleidigt und nahm ihm das Glas wieder weg.
    Â»Hör zu, Dredd, sie ist …«
    Â»Sie ist verletzt. Ich versuche, ihr zu helfen. Wenn du mir nicht traust, kannst du mit ihr und dieser erbärmlichen Karikatur von einem Geistlichen dort draußen verschwinden und mich in Ruhe lassen. Ich habe nie verlangt, in dieses Chaos hineingezogen zu werden. Du hast es mir aufgedrängt. Was soll’s also sein?«
    Er faßte Pater Kevins Schweigen als Zustimmung auf. »Gut, dann sind wir uns also einig.«
    Dredd konzentrierte sich wieder auf sie, beugte sich über sie und hielt ihr das Glas an die Lippen. »Trinken Sie das.« Die Flüssigkeit schmeckte bitter. Sie wollte den Kopf wegdrehen, aber er legte eine Hand auf ihre Wange und hinderte sie daran. »Kommen Sie, trinken Sie aus. Davon schlafen Sie ein. Dann spüren Sie nichts mehr.«
    Er kippte das Glas leicht, so daß sie das bittere Zeug runterschlucken, es ausspucken oder daran ersticken mußte. Sie rechnete sich aus, daß er lediglich mit einer weiteren Portion zurückkommen würde, wenn sie die Flüssigkeit ausspuckte. Außerdem war das Versprechen, nichts mehr spüren zu müssen, verlockend. Sie trank das Glas aus.
    Â»Braves Mädchen. Ist Ihnen kalt?« Er zog

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