Im Herzen der Nacht - Roman
wieder einen Mann.
Die Stirn gerunzelt, beugte sie sich hinab und inspizierte seinen dicken goldenen Halsring, den zwei einander zugewandte keltische Drachenköpfe verzierten. Merkwürdig, genau dieses Schmuckstück hatte sie vor Jahren in der Kunstakademie gezeichnet und sogar versucht, einen solchen Reif für sich selbst anzufertigen. Das war ihr nicht gelungen. Wenn man etwas so Kompliziertes herstellen wollte, brauchte man ein besonderes Talent im Umgang mit unnachgiebigen metallischen Materialien.
Noch imposanter erschienen ihr die tätowierten Stammesembleme an der linken Seite der gebräunten Brust und am linken Arm - ein grandioses Labyrinth aus keltischen Ornamenten,
die sie an das Buch von Kells erinnerten. Wenn sie nicht alles täuschte, sollten diese Symbole der keltischen Kriegsgöttin Morrigán huldigen.
Selbstvergessen strich Sunshine über die Tätowierungen, ihr Finger zeichnete einzelne Linien nach. Den rechten Bizeps umgab ein drei Zoll breites Band aus Schriftzeichen. Unfassbar, wer diese Tattoos kreiert hatte, musste sehr viel von der keltischen Kultur verstehen.
Sobald sie eine Brustwarze berührte, wurde ihr künstlerisches Interesse von sinnlichen Emotionen verdrängt. Mit dieser wohlgeformten, muskulösen Brust würde er jeden Bodybuilderwettbewerb gewinnen, dachte sie. O ja, das war ein sehr attraktiver Mann.
Die Blutflecken an seiner Hose schienen nicht von ernsthaften Verletzungen herzurühren. Sonderbar - Sunshine entdeckte nicht einmal auffällige Schürfwunden, auch nicht an der Stelle, wo der Bacchus-Wagen gegen ihn geprallt war.
Was mochte das bedeuten?
Als sie nach seinem Hosenschlitz griff, konnte sie es kaum erwarten herauszufinden, was sich unter der schwarzen Hose verbarg. Boxershorts oder ein knapper Slip?
Wenn er oben herum so großartig aussah, musste es noch besser werden …
Sunshine!
Nur die künstlerische Bewunderung eines vollkommenen Körpers, redete sie sich ein.
Entschlossen ignorierte sie jeden anderen Gedanken und öffnete den Reißverschluss. Darunter trug er nichts. Beim Anblick der eindrucksvollen, von dunkelblonden Löckchen umgebenen Männlichkeit stieg ihr brennendes Blut in die Wangen.
Komm schon, Sunshine, du siehst nicht zum ersten Mal einen nackten Kerl. Großer Gott! Während deines sechsjährigen Kunststudiums hast du haufenweise nackte Männer begutachtet. Und du bist mit einigen intim gewesen. Ganz zu schweigen von Jerry, deinem widerwärtigen Ex. Der war auch nicht gerade schwach gebaut.
Okay. Aber keiner hatte so fantastisch ausgesehen wie dieser Fremde.
Die Lippen zusammengepresst, streifte sie die schweren schwarzen Harley-Stiefel von seinen Füßen. Dann zog sie die Hose über die langen, muskulösen Beine nach unten. Als sie seine Haut mit den feinen goldenen Härchen berührte, stockte ihr Atem. Hinreißend.
Sorgsam faltete sie die Hose zusammen und strich über den Stoff. Noch nie hatte sie so ein weiches Material angefasst. Beinahe wie Chamois, aber anders, eine fremdartige Textur. Eine Lederart? Nein, zu dünn …
Diese Gedanken verflüchtigten sich, als sie den Bewusstlosen auf dem Bett wieder anschaute. Eindeutig der Wunschtraum aller Frauen. Ein bildschöner nackter Mann, der ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, eine Augenweide.
Mühsam rang sie nach Luft, vom dem Impuls getrieben, über ihn herzufallen, diese großen, starken Hände auf ihrer Haut zu spüren, ihn in sich zu fühlen und leidenschaftlich zu lieben, die ganze Nacht.
Hmmmm!
Ihr Mund hungerte nach dem Geschmack dieser goldenen Haut. Überall war er gebräunt. Keine einzige helle Stelle.
Den will ich haben...
Energisch schüttelte sie den Kopf, um die roten Nebel zu verscheuchen. Um Himmels willen, sie benahm sich wie eine
Nymphomanin. Und doch - dieser Mann war etwas Besonderes, die personifizierte Verlockung...
»Sunshine?«
Verstört zuckte sie zusammen, als sie Waynes ungeduldigen Ruf hörte. Sie hatte seine Anwesenheit völlig vergessen. »Sofort...«
Noch ein letzter Blick. Ab und zu musste eine Frau etwas Nettes sehen. Wann gab es schon die Gelegenheit, einen bewusstlosen hübschen Gott anzustarren? Nur mühsam verdrängte sie das Bedürfnis, ihn zu streicheln. Sie breitete eine Decke über seinen nackten Körper, ergriff seine Kleidung und ging zum Sofa. Dabei studierte sie die Hose. Woher stammte das Blut?
Ehe sie die Hose genauer inspizieren konnte, riss Wayne sie ihr aus der Hand und zog eine Brieftasche aus einer der
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