Im Herzen der Nacht - Roman
Schokolade-Reddy-Whips schmeckten. Entzückt musterte er die Begeisterung in ihren Augen, während sie die dekadente Schlagsahne verspeiste. Zum Abschluss bestrich er sie mit Schokolade und leckte sie ab. Wer hätte gedacht, dass die Kunst so vergnüglich sein konnte?
Noch nie im Leben hatte er sich so gut amüsiert wie in dieser Nacht, noch nie so oft und unbeschwert gelacht. Nun musste er keine Rolle mehr spielen, denn sie wusste, was er war - als Dark Hunter und als Mann.
Kurz nach Mitternacht schlief sie ein und ließ ihn mit seinen Gedanken allein. Er setzte sich auf die Veranda. Hier draußen war es friedlich und kühl, dichter Nebel lag über dem Sumpf, ringsum hörte er das Wasser plätschern. Seit Jahrhunderten führte er dieses einsame Leben. Wie oft er hier gesessen und der Stille gelauscht hatte, konnte er nicht zählen. Auf der anderen Seite der geschlossenen Tür wartete der Himmel. Könnte er Sunshine doch bei sich behalten …
Wie besiegte man einen Gott? War das überhaupt möglich? In seinem sterblichen Dasein wäre er nie auf solche Gedanken gekommen. Aber jetzt?
Nach Sonnenaufgang ging er für ein paar Stunden ins Bett. Nachdem er eine Stunde geschlafen hatte, hörte er Sunshine auf seinem Schreibtisch herumwühlen. »Was machst du?«, fragte er müde.
»Ich suche nach dem Schlüssel für das Boot.«
»Warum?
»Das sagte ich doch, ich muss einen Kunden treffen.«
Talon rieb sich die brennenden Augen und versuchte sich auf ihre Worte zu konzentrieren. »Was?«
»Letzte Nacht habe ich’s dir erzählt. Erinnerst du dich? Um elf Uhr treffe ich meinen Kunden vor meinem Kiosk auf dem Jackson Square. Sorg dich nicht, ich komme so bald wie möglich zurück.«
»Nein, du musst hierbleiben.«
Verwirrt starrte sie ihn an. »Ich habe dir doch erklärt, wie wichtig das für mich ist. Für meine Karriere.«
»Sei nicht albern, Sunshine. Es geht um dein Leben .«
»Allerdings.« Sie wandte sich wieder zum Schreibtisch. »Diese fabelhafte Chance lasse ich mir nicht von einem kranken Psycho verderben. Glaub mir, wenn sich dieser Freak heute in meine Nähe wagt, war das sein letzter Fehler. Vorher wusste ich nicht, dass diese Schurken hinter mir her sind. Jetzt weiß ich’s, und ich kann auf mich aufpassen.«
Warum missachtete sie seine Wünsche? Ärgerlich stand er auf. »Ich lasse dich nicht gehen.«
»Mach mir bloß keine Vorschriften, Talon! Nicht einmal mein Vater kommandiert mich herum. Ich bin eine erwachsene Frau, niemand darf sich in mein Leben einmischen.«
»Verdammt, Sunshine sei vernünftig! Ich will nicht, dass du verletzt wirst.«
»Warum nicht? Weil du mich liebst?«
»Ja, deshalb !« Sobald diese Worte über Talons Lippen gekommen waren, erstarrten sie alle beide.
Sunshines Herz schlug wie rasend, und sie hoffte inständig, sie könnte ihm glauben. Sagt er die Wahrheit? »Liebst du mich wirklich?«, flüsterte sie.
Schweigend beobachtete er, wie sie das schöne, mit Samt ausgekleidete Silberkästchen auf seinem Schreibtisch öffnete. Darin lag ein Halsring, der so aussah wie seiner, nur etwas kleiner. Für eine Frau bestimmt. Nynias Halsring.
Sunshine hielt ihm die geöffnete Kassette hin. »Oder ist es Nynia, die du liebst?«
Unfähig, diesen Anblick zu ertragen, schloss er die Augen. Diesen Schmuck hätte er schon vor Jahrhunderten vernichten sollen. Doch er konnte es nicht. Deshalb hatte er Nynias Halsring in das Kästchen gelegt und es nie wieder geöffnet. Trotzdem musste er stets daran denken.
Sunshine schloss die Kassette und stellte sie auf den Schreibtisch zurück. »Das muss ich tun. Für mich! Ich will nicht in Angst und Schrecken leben. Versuch mich doch zu verstehen! Camulus weiß, dass wir zusammen sind. Hier kann er mich genauso leicht töten wie in der Stadt. Er ist ein Gott, Talon. Wir können uns nicht vor ihm verstecken.«
Bestürzt hielt er den Atem an. In seiner Fantasie sah er seinen Onkel, im Kampf niedergestreckt - sah den tödlichen Schlag, der ihn zu Boden geworfen hatte, ehe der Neffe zu ihm geeilt war. Ein brennender Schmerz durchfuhr seine Brust. O ja, er verstand Sunshines Bedürfnis, sich zu beweisen, etwas aus eigener Kraft zu erreichen. Trotzdem durfte er sie nicht allein und hilflos nach New Orleans fahren lassen.
Außerdem brauchte er seine ganze Kraft, um zu kämpfen und sie zu schützen. Deshalb musste er sich noch eine Weile ausruhen. Wenn er sich in der nächsten Nacht nach New Orleans wagte, erschöpft und geschwächt, würden
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