Im Herzen der Nacht - Roman
die Kreide beiseite und lochte drei weitere Kugeln ein. »Und weil ich weiß, was Sie denken, die Antwort lautet ›Ja‹.«
»Auf welche Frage?«
»Ob Talon Sie liebt oder nicht.«
Während Psyche die restlichen Kugeln in die Löcher beförderte, schnitt Sunshine eine Grimasse. »Ach, ich weiß nicht... Manchmal fürchte ich, er kann mich nicht von Nynia unterscheiden. Ich glaube, er liebt sie mehr als mich.«
»Nichts für ungut.« Psyche legte die Kugeln wieder zurecht. »Aber das ist albern. Immerhin sind Sie Talons Seelenverwandte. Ganz egal, wer oder was Sie sind, er wird Sie immer lieben. Selbst wenn Sie einen Buckel kriegen oder so fett
wie ein Walross werden. Dagegen kann man nichts machen. Ihr beide seid füreinander bestimmt.«
»Ja, aber...«, begann Sunshine.
»Kein Aber!«, fiel Psyche ihr ins Wort, postierte sich direkt vor ihr und starrte in ihre Augen. »Ich bin die Göttin der Seelen und Seelenverwandten. Im Gegensatz zu den anderen olympischen Göttern erkenne ich zwei Menschen, die füreinander geschaffen wurden. Wenn ihr beide heute Nacht sterben und auf verschiedenen Kontinenten wiedergeboren werdet, werdet ihr euch früher oder später begegnen. So ist das nun einmal bei Seelenverwandten. Für sich allein kann jeder überleben, aber niemals zu einem anderen Partner gehören. Ohne einander seid ihr unvollkommen.« Sie warf einen kurzen Blick nach oben. »Wenn ihr dagegen ankämpft, macht ihr euch nur unglücklich.« Mütterlich tätschelte sie Sunshines Schulter. »Ich weiß, Sie glauben mir nicht. Und es wird noch eine Weile dauern, bis Sie es akzeptieren. Das Problem dieser Beziehung liegt nicht in der Frage, ob Talon Sie liebt. Für ihn ist das alles so schwierig, weil er es sich nicht leisten kann, auch nur an seine Liebe zu denken.«
»Warum nicht?«
»Sobald er es wagt, wird Camulus Sie töten. Das weiß Talon. Deshalb unterdrückt er seine Liebe, damit Sie nicht noch einmal sterben.«
Krampfhaft schluckte Sunshine. Also hing alles mit diesem zornigen, entnervenden Gott zusammen. »Gibt es eine Möglichkeit, Camulus unschädlich zu machen?«
»Vielleicht.«
»Nur vielleicht ? Was Besseres fällt Ihnen nicht ein?«
»He, zumindest ist es besser als ein Nein.«
Das musste Sunshine zugeben. Aber sie wünschte sich eine
größere Hoffnung. »Und Artemis? Selbst wenn wir Camulus besiegen, was wird sie tun?«
Langsam drehte Psyche den Queue zwischen ihren Händen hin und her und dachte über eine Tatsache nach, die man niemals vergessen durfte. »Sie ist schrecklich raffiniert, und Sie müssen sehr vorsichtig mit ihr verhandeln.«
»Also kann ich mit ihr reden?«
»Möglicherweise.«
Sunshines Gedanken überschlugen sich. Durfte sie sich wirklich an einen Hoffnungsschimmer klammern?
Talon führte Eros in den Lagerraum und schloss die Tür. Vor ein paar Jahrzehnten hatte Quinn Peltier dieses Lager mit schalldichten Wänden ausgestattet, um seinen Verwandten und ausgewählten Freunden eine unantastbare Privatsphäre zu verschaffen, wann immer sie gebraucht wurde.
Ursprünglich war der Raum als Gefängnis geplant worden, falls sich ein Peltier im vollbesetzten Club versehentlich in einen Bären verwandelte. Aber die Brüder benutzten ihn schon seit einiger Zeit für intime Begegnungen mit Frauen, wenn sie von Trieben erfasst wurden, die nicht warten konnten. Nun, das war eine andere Geschichte.
Talon knipste eine schwache Deckenleuchte an. Dann wandte er sich zu Eros. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Verdammt noch mal, weißt du nicht, dass ich jeden Dark Hunter pulverisieren soll, der mir vor die Augen kommt?«
Vielsagend hob Talon die Brauen. »Hast du dir nicht neulich Pokergeld von mir geliehen? Ohne Psyches Wissen?«
Eros grinste gutmütig. »Ein unwiderlegbares Argument. Okay, was soll ich tun?«
Inständig hoffte Talon, er würde nicht die gefürchtete Antwort erhalten. »Kennst du den keltischen Gott namens Camulus?«
»Nur flüchtig«, erwiderte Eros achselzuckend. »Der hängt mit Ares, Kel, Ara und anderen Kriegsgöttern herum. Als Gott der Liebe und Lust verkehre ich nicht mit ihnen. Warum?«
»Weil ich von ihm verflucht wurde. Ich will wissen, ob ich diesem Fluch irgendwie entrinnen kann.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
»Vermutlich nicht. Wie es der Natur eines Kriegsgotts entspricht, ist er in den meisten Fällen unversöhnlich. Das gehört zu seiner Mentalität, die stets nach Massenvernichtung strebt. Aber es hängt davon ab, was du verbrochen hast und welcher
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