Im Herzen der Nacht - Roman
kamen sie nur langsam voran. Normalerweise hätte ihr das nichts ausgemacht. Aber zusammen mit der düsteren Stimmung ihres Begleiters und dem Gegröle betrunkener Zecher, die immer wieder auf die Straße taumelten, zerrte der Stau an ihren Nerven.
Warum Zarek sie in diesen Stadtteil brachte, wusste sie nicht. Er hatte ihr nur erklärt, nach Acherons Meinung wäre sie dort sicherer. Außerdem könnte Talon unbelastet kämpfen, wenn er wüsste, dass Camulus und Styxx sie nicht finden würden.
»Wie lange sind Sie schon Dark Hunter?«, fragte sie, um die Spannung zwischen ihnen ein wenig zu lockern.
»Das interessiert Sie doch gar nicht.«
»Danke, Sie sind sehr freundlich.«
Zarek warf ihr einen eisigen Blick zu. »Wenn man mordet, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, lässt die Freundlichkeit irgendwann nach.«
»Talon ist anders.«
»Wie schön für ihn.«
Hastig trat sie auf die Bremse, um einen Zusammenstoß mit einem Mann zu vermeiden, der als Stier kostümiert war. Er schlug auf die Motorhaube, dann rannte er schreiend über die Straße. Nun fuhr Sunshine noch langsamer, Stoßstange reihte sich an Stoßstange. »Mögen Sie Talon nicht?«
»Wann immer ich ihn sehe, wünsche ich ihm den Tod.«
Sein blasierter Tonfall verwirrte sie. »Meinen Sie das ernst?«
»Klar.«
»Warum?«
»Weil er ein Arschloch ist. Und ich musste mich in meinem Leben schon mit genug Arschlöchern herumschlagen.«
»Hassen Sie Ash auch?«
»Baby, ich hasse alle Leute.«
»Sogar mich?«
Sunshine wartete vergeblich auf eine Antwort. Nach diesem kurzen Gespräch belästigte sie ihn nicht mehr. Zarek war unheimlich. Kalt und unnahbar. Und er schien es zu genießen, dass alle Menschen vor ihm zurückschreckten. Zwanzig Minuten verstrichen, bis er sie mit einer Frage schockierte. »Sie lieben den Kelten, nicht wahr?«
»Ja.«
»Warum? Was fasziniert Sie an ihm?«
Hinter dieser Frage steckte viel mehr, als er aussprach, das spürte Sunshine. Vielleicht war ihm das Gefühl der Liebe völlig fremd, und er versuchte einen Sinn darin zu finden. »Er ist ein netter, guter Mann, der mich zum Lachen bringt. Wenn er mich anschaut, schmelze ich dahin. In seiner Nähe habe ich das Gefühl, ich könnte fliegen.«
Zarek wandte sich ab und beobachtete das Mardi-Gras-Getümmel auf dem Gehsteig.
»Waren Sie schon einmal verliebt?«, wollte sie wissen. Wieder keine Antwort. Stattdessen dirigierte er sie zu einem Lagerhaus an der St. Joseph Street. Das Gebäude wirkte düster und abweisend.
»Da soll ich hineingehen?«, fragte sie.
Er nickte, und sie parkte in einer Gasse hinter dem Haus. Dann stiegen sie aus. Zarek führte sie durch eine Hintertür hinein und eine Treppe hinauf. Am Ende eines Flurs öffnete er eine Tür und ließ ihr den Vortritt.
Auf den ersten Blick glaubte sie, der blonde Mann wäre Acheron mit einer neuen Haarfarbe. Bis sie Camulus an seiner Seite entdeckte.
Styxx stand zwischen dem Kriegsgott und einem brünetten Mann, den sie nicht kannte. Entschlossen machte sie kehrt. Zarek schloss die Tür und postierte sich davor.
»Komm zu mir, sagte die Spinne zu der Fliege«, witzelte Camulus.
Das Kinn hochgereckt, wandte sie sich wieder zu den Männern. Camulus sah so attraktiv aus wie bei ihrer ersten Begegnung. Aber er grinste noch bösartiger als Zarek, und das war eine denkwürdige Leistung. Der riesengroße Fremde trug einen Ziegenbart und wirkte sehr kultiviert.
»Wenn mich nicht alles täuscht, sind Sie Dionysos. Nicht wahr?« Sunshine erinnerte sich, was Selena ihr über den Schutzgott des Mardi Gras erzählt hatte.
Er lächelte, als fühlte er sich geschmeichelt, weil sie ihn erkannte. »Genau.«
»Wie klug sie ist...«, bemerkte Camulus. »Beinahe bedauere ich, dass wir sie töten müssen. Andererseits - nun ja.«
»Nein, ihr dürft ihr nichts antun«, protestierte Zarek von der Tür her. »Ihr habt versprochen, ihr würde nichts zustoßen, wenn ich sie hierherbringe.«
»Dann habe ich offenbar gelogen«, erwiderte Dionysos. »Verklag mich doch.«
Zarek versuchte sich auf den Gott zu stürzen, und Sunshine hielt ihn zurück. Warum tue ich das? Vielleicht, weil er sich
nicht in Gefahr bringen sollte, denn er war anscheinend ihr einziger Verbündeter in diesem Raum. Sie wandte sich wieder zu Camulus.
Welches Leid er Talon in dieser Nacht zufügen wollte, wusste sie. »Ich lasse mich nicht von Ihnen töten, bevor Talon stirbt.«
Alle außer Zarek lachten.
»Daran können Sie uns nicht hindern«,
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