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Im Herzen der Nacht - Roman

Titel: Im Herzen der Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon Eva Malsch
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Er sah seine schöne Mutter auf ihrem vergoldeten Bett liegen, schweißüberströmt, das Gesicht aschfahl. Behutsam strich ihr eine Dienerin das feuchte blonde Haar aus den hellblauen Augen. Nie zuvor hatte er seine Mutter so glücklich gesehen.
    Zahlreiche Höflinge drängten sich im Zimmer, und sein Vater stand mit den ranghöchsten Staatsbeamten neben dem Bett. Durch die geöffneten Buntglasfenster drang frische Meeresluft herein und milderte die Hitze des Spätsommertags.
    »Noch ein schöner Junge!«, rief die Hebamme entzückt und wickelte das Neugeborene in eine Decke.
    »Dank sei Apollymis süßer Hand! Aara, du hast mich stolz gemacht!«, verkündete der Vater, und lauter Jubel erfüllte den Raum. »Zwillinge, die unsere beiden Inseln beherrschen werden!«
    Lächelnd beobachtete die Mutter, wie die Hebamme den Erstgeborenen säuberte.
    Da erfuhr Styxx die schreckliche Wahrheit über Acherons Geburt, lernte das dunkle Geheimnis kennen, das sein Vater vor ihm verborgen hatte.
    Acheron war der Erstgeborene. Nicht er . Styxx, der jetzt
sich erinnernd in Acherons kleinem Körper gefangen war, kämpfte, um Luft in seine neugeborenen Lungen zu saugen. Endlich konnte er atmen, und da hörte er einen Schreckensschrei.
    »Zeus sei uns gnädig, meine Majestät, der Älteste ist missgestaltet.«
    Entsetzt blickte die Mutter auf. »Wieso?«
    Die Hebamme trug ihn zu seiner Mutter, die den Zweitgeborenen im Arm hielt.
    Voller Angst wollte das Baby einfach nur getröstet werden, und es griff nach dem Bruder, der den Mutterleib monatelang mit ihm geteilt hatte. Wenn ich ihn berühre, ist alles wieder gut, das weiß ich.
    Doch die Mutter stieß seinen Bruder weg, entfernte ihn aus seinem Blickfeld und seiner Reichweite. »Unmöglich!«, schluchzte sie. »Er ist blind!«
    »Nicht blind, Majestät«, erklärte die älteste weise Frau, bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und trat vor. Ihre weiße Robe war reich bestickt mit goldenen Fäden, um ihr graues Haar wand sich eine goldene Girlande. »Die Götter haben ihn zu Euch geschickt.«
    Argwöhnisch musterte der König seine Königin. »Warst du mir untreu?«, beschuldigte er Aara.
    »Nein, niemals.«
    »Wieso stammt er dann aus deinem Schoß? Alle Anwesenden sind Zeugen.«
    Verstört beobachteten die Zuschauer, wie die weise Frau das hilflose weinende Baby anstarrte, das sich nach Trost und Wärme sehnte. »Dieses Kind wird zu einem Zerstörer heranwachsen«, verkündete sie mit durchdringender Stimme, sodass die Worte niemandem entgingen. »Unzählige Menschen
wird er in den Tod senden. Nicht einmal die Götter werden vor seinem Zorn sicher sein.«
    »Dann muss er sterben.« Entschlossen befahl der König seinem Wachposten, sein Schwert zu ziehen und das Baby zu erstechen.«
    »Nein!«, rief die weise Frau den Mann zurück. »Wenn Ihr dieses Kind töten lasst, Majestät, wird auch Euer anderer Sohn sterben. Die Lebenskräfte der beiden sind vereint. Nach dem Willen der Götter müsst Ihr beide großziehen.«
    Das Baby schluchzte, von angstvollen Vibrationen umzingelt, die es nicht verstand. Es wollte nur umarmt werden, so wie sein Bruder. Es wünschte sich, jemand würde ihm versichern, alles sei gut.
    »Niemals werde ich ein Ungeheuer großziehen«, protestierte der König.
    »Majestät, Ihr habt keine Wahl.« Die weise Frau nahm das Baby aus den Händen der Hebamme und hielt es der Königin hin. »Da er aus Eurem Leib stammt, Majestät, ist er Euer Sohn.«
    Da schrie das Baby noch lauter und tastete nach der Mutter. Doch sie wich vor ihm zurück, drückte den Zweitgeborenen fester an sich. »Niemals werde ich ihn stillen. Nein, ich rühre ihn nicht an. Schafft ihn mir aus den Augen!«
    Nun trug die weise Frau das Kind zu seinem Vater. »Und Ihr, Majestät? Werdet Ihr ihn anerkennen?«
    »Niemals, das ist nicht mein Sohn.«
    Nach einem tiefen Atemzug hielt die weise Frau das Kind hoch, um es der Versammlung zu präsentieren. Ganz locker umfing sie es ohne Liebe oder Mitleid. »Dann soll er Acheron genannt werden, nach dem Fluss des Leidens. So wie der Fluss in der Unterwelt soll er einem langen, dunklen
Weg folgen. Er wird die Fähigkeit erhalten, Leben zu geben und Leben zu nehmen. Allein und einsam wird er durch sein Dasein wandern, immer Güte suchen und nur Grausamkeit finden.« Dann senkte sie die Arme, betrachtete das Kind in ihren Händen, sprach die schlichte Wahrheit aus, die den Jungen für den Rest seines Lebens verfolgen würde. »Mögen die Götter dir

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