Im Herzen der Nacht - Roman
kaufen, die Jerry für seine Gemälde brauchte. Immer musste sie ihre Pläne ändern. Die konnten warten. Niemals hatte er Rücksicht auf sie genommen.
Jetzt wollte sie sich nicht schon wieder einem Mann unterordnen, sondern ihr eigenes Leben führen, ihre eigene Karriere verfolgen. Gewiss, Talon war großartig, aber er glich ihr zu sehr - ein Einzelgänger, der seine Privatsphäre schätzte. Obwohl sie wundervolle Stunden mit ihm verbracht hatte, bezweifelte sie, dass sie zueinander passten. Zum Beispiel stand sie gern zeitig auf und malte im Tageslicht, während er die ganze Nacht aufblieb. Sie mochte Tofu und Kleie, er Junkfood und Kaffee.
Mit Jerry hatte sie immerhin die Tage und mehrere Vorlieben geteilt. Und was war daraus geworden? Wenn diese Ehe nicht funktioniert hatte, würde sie mit Talon sicher keinen gemeinsamen Nenner finden.
Nein, sie musste in ihr Leben zurückkehren. Sobald er aufgestanden war, würden sie essen. Danach wollte sie ihn bitten, er möge sie nach Hause fahren.
Talon seufzte in seinem Schlaf. Schon lange hatte er nicht mehr von seiner Frau geträumt. Das hatte er nicht gewagt, denn die Gedanken an Nynia drohten ihm stets das Herz zu brechen.
An diesem Tag kam sie in seinen Träumen zu ihm. Voller Wehmut sah er sie am Herd sitzen, den Bauch über dem ungeborenen Baby gewölbt. Nach der fünfjährigen Ehe und der lebenslangen Freundschaft erhitzte sie immer noch sein Blut und erfüllte ihn mit inniger Liebe.
Unter dem verächtlichen Blick seines Onkels aufgewachsen,
von seinem Clan abgelehnt, hatte er nur bei ihr Trost gefunden und sich geliebt gefühlt.
Er hörte sie das Wiegenlied summen, das seine Mutter in seiner frühen Kindheit gesungen hatte. O Götter, wie dringend er sie brauchte! Jetzt mehr denn je. Er war der Kämpfe müde, der Forderungen, die sein Volk seit dem Tod des Onkels an ihn stellte. Und er wollte das Getuschel über seine Eltern nicht länger hören. Er war ein junger Mann. Aber an diesem Abend fühlte er sich uralt, und er fröstelte.
Bis er Nynia anschaute. Sie wärmte seine Seele und erleichterte ihm das Dasein. Dafür liebte er sie. Er ging zu ihrem Sessel, kniete nieder und legte den Kopf in ihren Schoß. Als er die Arme um ihre Taille schlang, spürte er das Gestrampel des protestierenden Babys. Zärtlich strich sie über sein Haar. »Du bist zurückgekommen.«
Weil er nicht sprechen konnte, schwieg er. Normalerweise hätte er seine Rüstung und seinen Körper vom Blut gereinigt, bevor er zu ihr geeilt wäre. Aber das Leid des Tages lastete zu schwer auf seiner Brust, und er musste ihre sanfte Berührung spüren und wissen, dass sie vorerst sicher und bei ihm war. Nur sie vermochte den Schmerz in seinem Herzen zu lindern.
Seine Tante war tot. Grausam verstümmelt. Weil sie nicht zum Mittagsmahl erschienen war, hatte er sie gesucht und die Leiche gefunden. Selbst wenn er bis in alle Ewigkeit leben sollte, würde er diesen schrecklichen Anblick niemals vergessen, ebenso wenig wie jenen Moment, als die Mutter in seinen Armen gestorben war.
»Der Fluch der Götter«, hatte Parth an diesem Abend seinem Bruder zugeflüstert, ohne Talons Anwesenheit zu bemerken. Doch der Clanführer hatte jedes Wort gehört. »Er
ist der Sohn einer Hure, denn sie lag bei einem Druiden, um eine verfluchte Dynastie zu gründen. Dafür müssen wir jetzt büßen. Uns alle werden die Götter strafen.«
»Willst du Speirrs Schwert herausfordern, um die Herrschaft zu übernehmen?«
» Einen solchen Mann würde nur ein Narr herausfordern. Nicht einmal Cuchulainn ist ihm gewachsen.«
»Dann bete zu den Göttern, er möge dich nie belauschen.«
Talon schloss die Augen und suchte die Erinnerung an das Geflüster zu verdrängen, das ihn seit Jahren verfolgte.
»Sind sie alle tot?«, fragte Nynia und streichelte sein Gesicht.
Er nickte. Nachdem er die Leiche seiner Tante heimgebracht hatte, war er mit seinen Männern dem nordischen Gallierstamm nachgeritten. Neben der Toten hatte er einen Dolch der Feinde entdeckt und sofort erkannt, wem er den Mord anlasten musste. »Ich bin tatsächlich verflucht, Nyn.« Beinahe blieben die Worte in seiner Kehle stecken. »Nach dem Tod meines Onkels hätte ich auf dich hören sollen und niemals Rache am nordischen Clan üben dürfen. Nun muss ich fürchten, was mir die Götter als Nächstes rauben werden.«
Das wusste er schon. Nichts auf Erden war kostbarer als die Frau in seinen Armen. Sie würde sterben. Seinetwegen. Alles war seine Schuld,
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