Im Herzen der Nacht - Roman
er allein hatte den Zorn der Götter erregt, die der nordische Clan anbetete. Er konnte das Grauen nicht verhindern, Nynia nicht retten. Diese Qual ertrug er nicht.
»Ich habe Morrigán Opfer gebracht. Aber die Druiden sagen, es sei nicht genug. Was kann ich sonst noch tun?«
»Vielleicht war es das letzte Unheil, und es ist vorbei.«
Darauf hoffte er inständig, denn andernfalls... Nae, nicht Nynia. Alles wollte er den Göttern gönnen. Nur sie nicht …
Von seinem Traum in eine andere Zeit geführt, stöhnte Talon. Während seine Frau in den Wehen lag, hielt er sie in den Armen. Von der Feuerhitze und der stundenlangen Mühsal waren beide in Schweiß gebadet. Die Hebamme hatte ein Fenster geöffnet. Draußen schneite es, kalte Luft strömte in den Raum.
Schon immer hatte Nynia den Schnee geliebt, und das Wetter weckte die Hoffnung, alles würde sich zum Guten wenden. Vielleicht konnte das Baby ein neues Glück bewirken.
»Du musst pressen, Nynia«, befahl die Hebamme.
Schreiend grub Nynia ihre Fingernägel in Talons Arme, und er legte seine Wange an ihre. »Ich halte dich fest, Liebste«, flüsterte er in ihr Ohr. »Niemals werde ich dich loslassen.«
Ein letztes Seufzen, dann entspannte sie sich, als ihr Sohn aus ihrem Schoß in die Hände der Hebamme fiel. Nynia lachte, als Talon sie küsste und an sich drückte.
Doch die Freude war nur von kurzer Dauer, denn die alte Frau versuchte vergeblich, das Kind zu beleben. »Es ist tot.«
»Nae!«, rief Talon. »Unser Sohn schläft. Weck ihn!«
» Nae, mein triath , er wurde tot geboren, so sehr ich’s auch bedauere.«
Nynia weinte in seinen Armen. »Tut mir so leid, Speirr, dass ich dir keinen Erben schenken konnte. Wie bitter ich dich enttäuscht habe...«
»Nicht du, Nyn. Niemals wirst du mich enttäuschen.«
Schweren Herzen umarmte er sie, während die Hebamme die kleine Leiche wusch und ankleidete. Unfähig, den Blick von seinem Sohn loszureißen, betrachtete er zehn Finger, zehn perfekte Zehen, das dichte, schwarze Haar, das schöne, vollkommene, winzige Gesicht.
Wieso lebte und atmete dieses Kind nicht? Die Zähne zusammengebissen, bekämpfte er den Schmerz, bemühte sich mit der Macht seiner Gedanken, den kostbaren Sohn zum Leben zu erwecken und ihm einen Schrei zu entlocken. Es gab keinen Grund, warum das Baby nicht gesund zur Welt gekommen war. Keinen anderen als die Unvernunft des Vaters.
Seinen eigenen Erben hatte er getötet. In seinen Augen brannten Tränen. Wie oft hatte er Nynias runden Bauch berührt und die kräftigen Bewegungen seines Sohnes gespürt, den liebevollen Stolz eines Vaters empfunden?
Ungeduldig hatten sie die Tage bis zur Geburt gezählt und besprochen, was sie sich für die Zukunft ihres Kindes wünschten. Und nun würde Talon den Jungen, der sein Herz längst erobert hatte, niemals kennen lernen, niemals lächeln und heranwachsen sehen.
»Tut mir so leid, Speirr «, schluchzte Nynia immer wieder.
Er presste sie noch fester an sich und flüsterte ihr tröstliche Worte zu. Ihr zuliebe musste er stark sein. Jetzt brauchte sie ihn. Und so küsste er ihre Wange und schluckte seine eigenen Tränen hinunter. »Schon gut, meine Süße, wir werden andere Kinder bekommen.« Doch er kannte die Wahrheit. Niemals wird der Gott Camulus ein Kind leben lassen, das ich gezeugt habe. Und er würde Nynia nie mehr solchen Qualen ausliefern. Dafür liebte er sie viel zu sehr.
Eine Stunde später hielt er sie immer noch in den Armen. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen, die letzte seiner Hoffnungen geschwunden. Alles hatten ihm die Götter genommen. Nur ein unermessliches Leid blieb zurück, denn Nynia würde an ihrem Blutverlust sterben.
Die Hebamme hatte ihr Bestes getan und sich schließlich verabschiedet.
Bald würde Nynia ihn verlassen. Er konnte nicht atmen, konnte sich nicht rühren. Seine Frau war dem Tod nahe … Ihr Blut befleckte ihn. Doch das nahm er nicht wahr, und er kannte nur einen einzigen Gedanken - sie muss genesen und leben, für mich.
Verzweifelt suchte er sein eigenes Leben in ihren Körper zu zwingen. Aber es gelang ihm nicht. In einem stummen Gebet forderte er die Götter auf, ihm alles zu nehmen - seine Ländereien, sein Volk, nur Nynia nicht.
»Ich liebe dich, Speirr «, wisperte sie.
»Nae, du darfst mich nicht allein lassen, Nyn«, würgte er hervor. »Was soll ich denn ohne dich machen?«
»Du wirst für Ceara sorgen, so wie du es deiner Mutter versprochen hast.« Mit einer kalten Fingerspitze
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