Im Himmel ist die Hölle los
begann.
Aus Gründen, die uns hier nicht zu beschäftigen brauchen, hatte niemand im Dorf je die Notwendigkeit verspürt, Geld in eine vernünftige Drahtschere zu investieren. Darum würde Björn, der seine dürftigen Ersparnisse auf der Reise aus dem Dorf hierher in den Nennen-Sie-Ihr-Gewicht-Automaten im Wolfhound-Busbahnhof gesteckt hatte, improvisieren müssen. Über den Zaun oder mitten hindurch?
Er entschied sich gegen die erste Möglichkeit. Wenn er sich recht erinnerte, waren die Zaunpfosten von einigen seiner Freunde aus der Bauabteilung aufgestellt worden, und deshalb standen die Chancen, daß sie sein Gewicht tragen würden, nicht sehr gut. Der Weg mitten hindurch bedeutete jedoch, ein Loch ins Drahtgeflecht zu schneiden, ohne dabei die gesamte Wachmannschaft aufzuwecken. Björn runzelte die Stirn und suchte schließlich im Rucksack nach dem rettenden Einfall.
Nachdem er die Reserveunterhose, die Rolle extra starker Pfefferminzbonbons, die kaputte Uhr und das Juliheft 1985 von Der Zweiradfahrer als unbrauchbar aussortiert hatte, blieben ihm ein Dosenöffner, ein undichter Filzstift und ein Messer der sambischen Armee. Der letztgenannte Gegenstand hatte gegenüber seinem schweizerischen Konkurrenten einen ganz entscheidenden Vorteil, der Björns Ansicht nach die verschiedenen Nachteile aufwog: Das sambische Armeemesser erhielt man beim Kauf von Einliterdosen Getriebeöl für Rasenmäher als kostenlose Dreingabe. Björn holte das Messer aus dem Rucksack und suchte nach der darin enthaltenen Sägeklinge.
Daß Björn in genau drei Minuten durch das Geflecht hindurch und auf der anderen Seite wieder ins Freie kam, sagt einiges über die Qualität des für Zäune verwendeten Drahts der Behörde aus. (Nur der Ordnung halber: Wenn die sambische Armee einen Zaun durchschneiden will, hält sie sich nicht lange damit auf, sich beim Versuch, die Sägeklinge herauszuklappen, die Fingernägel abzubrechen, sondern läßt per Funk ein MiG-Geschwader kommen.)
Gemäß den Bestimmungen für die Errichtung von Grenzschutzanlagen liegt zwischen der inneren und der äußeren Umzäunung ein sieben Hektar großes Minenfeld. Der letzten Bestandsaufnahme der Sicherheitsabteilung zufolge verfügt die Behörde über fünf Tretminen, von denen sich bei der letzten Inspektion wenigstens drei in betriebsfähigem Zustand befanden. Björn knirschte mit den Zähnen und rannte los. Im Leben eines Mannes gibt es Momente, da er sich einfach auf sein Glück verlassen muß.
Das brachte ihn – atemlos, aber unversehrt – bis an den Rand der inneren Umzäunung. Diese stellte eine noch größere Herausforderung dar, da sie nicht von der Behörde errichtet, sondern ohne wesentliche Änderungen von der Hühnerfarm übernommen worden war, die sich vor der behördlich angeordneten Beschlagnahmung an dieser Stelle befunden hatte. Hier erlitt Björn den ersten größeren Rückschlag: Von etwa zweieinhalb Zentimetern unterhalb des Knies abwärts riß er sich das rechte Hosenbein auf.
»Bei dieser Tätigkeit muß man immer daran denken, kleinen Hunden nie den Rücken zuzuwenden«, mahnte der Traummeister im Generalsrang mit ernster Miene.
Jane nickte gelangweilt. »Gut, ich glaube, das kann ich mir gerade noch merken«, antwortete sie seufzend. »Und alles andere auch«, fügte sie hinzu, »wie zum Beispiel den Empfänger ausfindig zu machen, durch geschlossene und verriegelte Fenster einzusteigen und all das; vermutlich kriegt man durch den Einsatz der natürlichen Verstandeskräfte den Dreh irgendwann ganz von selbst raus.«
Der Traummeister blickte sie mißbilligend an. »Na schön, Fräulein Schlaumeier, auf die verschiedenen Verfahrensweisen werden wir zu gegebener Zeit zu sprechen kommen. Wissen Sie, bevor man laufen kann, muß man gelernt haben zu gehen. Ich wollte Ihnen nur zu Ihrem eigenen Besten raten, sich vor kleinen Hunden in acht zu nehmen.«
»Ich weiß, aber das habe ich schon immer getan«, entgegnete Jane. »Besonders dann, wenn ich mich in einem fremden Haus auf einen Sessel oder ein Sofa gesetzt habe. Hören Sie, ich wollte wirklich nicht anmaßend sein, es ist nur so, daß ich weiterkommen möchte. Mit der praktischen Seite, meine ich.«
Der Traummeister nickte verständig. »Sicher, aber alles zu seiner Zeit. Zunächst einmal werden Sie die Grundausbildung durchlaufen müssen. Dort übt man, sich Zutritt zu verschaffen und den Empfänger zu identifizieren, und lernt in Grundzügen, wie man in dessen Gehirn eindringt.
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