Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt

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äußeren Ring zuerst trifft, fängt an.«

    Nach Janes Dafürhalten war es ganz einfach.
    Sie wandte sich um und warf dem Fenster einen finsteren Blick zu, das daraufhin zuvorkommend nach unten glitt und sich geräuschlos wieder schloß. Durch einen Wink mit der linken Hand wurde das Zimmer von sanftem grünen Licht erhellt, das man zwar ohne die speziell behandelten Kontaktlinsen eines Boten nicht sehen konnte, das aber mehr als hell genug war, um das simple Verfahren der Traumzustellung zu beleuchten.
    Jane zog ihre Gummihandschuhe an; dann versetzte sie dem Schlafenden mit der Spitze des ausgestreckten Zeigefingers einen ganz leichten Stups direkt auf den höchsten Punkt der Schulter. Der Mann grunzte und drehte sich auf die Seite, so daß sich das rechte Ohr oben befand.
    »Kinderspiel«, murmelte Jane vor sich hin. Das ging alles furchtbar einfach.
    Aus dem schwarzen Pistolenhalfter aus Segeltuch, der von ihrem Gürtel baumelte, zog sie eine lange schwarze Spritze, öffnete sie und suchte in der Hüfttasche nach der Kapsel aus Metallfolie, die den Traum enthielt. Wie man es ihr beigebracht hatte, riß sie die Kapsel mit den Zähnen auf und schüttete den Inhalt in den Zylinder der Spritze. Als die Flüssigkeit aus der Kapsel durch die Luft in den Zylinder glitt, fiel für einen Moment das grüne Licht auf den Strahl, und Jane ließ vor Schreck fast die Spritze fallen.
    Während der Ausbildung waren natürlich ausschließlich Blankoträume verwendet worden. Dies war das erstemal, daß sie einen lebendigen Traum sah, und sein Anblick gefiel ihr überhaupt nicht. Wild aufblitzend und sich unbehaglich windend, zuckte er im Zylinder, und Jane erschauderte.
    In dem grünen Schein glich der Traum einer durchsichtigen Wurst, die bis obenhin mit kleinen zappelnden Menschen und Gegenständen, bunten Lichtern, Explosionen und blitzschnellen Szenenwechseln vollgestopft war. Da die Wurst bloß eine Länge von acht Zentimetern hatte und offenbar tausenderlei enthielt, waren die verschiedenen Einzelheiten viel zu klein, um sie genau erkennen zu können, aber der Eindruck, den sie sozusagen insgesamt machten, war alles andere als angenehm. Jane fragte sich, wer der Empfänger war und was genau mit ihm vorgehen würde.
    Nicht ihre Angelegenheit, entschied sie entschlossen und klappte mit einer leichten Bewegung den Verschluß zu. Dann schnippte sie die Schutzvorrichtung weg und hielt die stumpfe Spritze vorsichtig ans Ohr des Schlafenden. Also gut, das tut auch gar nicht weh, artikulierte sie unwillkürlich mit den Lippen.
    Rasch und fest stieß sie den Kolben bis zum Anschlag nach unten und zog die Spritze ruhig wieder zurück. Der Schlafende zuckte leicht zusammen, während sich die Traumwurst durch seinen Gehörgang hindurchschlängelte, gähnte und drehte sich auf die andere Seite. Auftrag ausgeführt. Prima.
    Plötzlich saß der Schlafende, wie von der Tarantel gestochen, kerzengerade im Bett.
    Wie Jane erst jetzt bemerkte, trug er einen dunkelvioletten Satinpyjama mit einem Monogramm auf der Brusttasche. Jegliche Sympathie, die bei ihr womöglich für den Schlafenden aufgekommen war, versickerte still und heimlich zwischen den Bodenbrettern ihres Herzens. Durch einen kurzen Blick versicherte sie sich, daß er sich nach wie vor in tiefem Schlaf befand, die Augen fest geschlossen hatte und regelmäßig atmete.
    »Hey!« rief er erbost.
    Jane kniff die Augen zusammen; niemand hatte ihr etwas davon gesagt, daß so etwas passieren könnte.
    »Was zum Teufel soll das heißen, die Iden des März? Wir haben Mitte September, und was sind Iden überhaupt?«
    »Ähm, ich …«, stammelte Jane. Der Schlafende schlief weiter.
    »Das ist keine Antwort«, beschwerte er sich. »Hören Sie, sind Sie sich sicher, daß Sie die richtige Mitteilung an die richtige Adresse gebracht haben?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Jane kleinlaut. »Ich meine, das hier ist doch der Newport Drive siebenundvierzig in Cardiff, oder?«
    Der Schlafende nickte. »Ja, stimmt, aber das ergibt keinen Sinn. Ich erwarte einen äußerst wichtigen Traum über ein zu neuneinhalb Prozent konvertierbares Aktienpaket von Marshfield, und da kommen Sie und quatschen mir die Ohren voll, ich solle mich vor den Iden des März hüten. Sind Sie sich denn sicher, ob Sie nicht irgendwo was durcheinandergebracht haben?«
    »Moment mal. Lassen Sie mich nur kurz nachsehen, was auf der Kapsel steht, ja?« besänftigte ihn Jane, die sich allmählich ausgesprochen unwohl fühlte.