Im Hyperraum
bekommen.
»Ed?«,
rief sie leise. »Wo bist du?« Während die Minuten verstrichen, begann
sie sich zu sorgen, ihm könnte etwas zugestoÃen sein. Hatte man
vielleicht einen Teil des Environments mitsamt Ed entfernt? Bestand in
diesem Fall überhaupt Hoffnung, ihn je wiederzufinden? Mit wachsender
Anspannung spähte sie in den Nebel.
Ein Zweig streifte ihren Hals und sie erschrak; etwas Rotes flatterte ihr mit schrillem Gekreisch ins Gesicht. »Igitt!«, schrie sie und prallte zurück, derweil die Kreatur das Weite suchte.
»Yawk!«, krächzte das rote Ding und näherte sich ihr in einem Bogen.
»Ed!«, rief sie, während ihr Herz vor Angst und Hoffnung pochte.
Der
Nebel lichtete sich. Knapp eine Armeslänge von ihr entfernt thronte Ed
direkt vor ihr auf einem Ast. Der im Dunst nicht sichtbare Pfad knickte
scharf nach rechts ab. Um ein Haar wäre sie in ein Dickicht gelaufen.
»Jayl!«, quäkte Ed und hopste auf seinem Sitz auf und ab.
»Ed â Gott sei Dank! Ich hatte schon befürchtet, du seist nicht mehr da.«
»Neee! Ed hier! Ed hier!« Er faltete die Schwingen dicht an den Körper.
»Hast du mich nach dir rufen hören?«
»Yawp! Ed geweckt. Frrrüh â sehrrr frrrüh!«
»Früh!
Hattest du noch geschlafen?« Der Papagei nickte und schloss einen
Moment lang die Augen; dann klappte er sie wieder auf. Jael lachte. »Na
schön. Beweg dich nicht. Bleib hier sitzen. Ich habe etwas mit dir
vor.« Ed legte den Kopf seitwärts und trippelte nervös auf dem Ast hin
und her. »Ich meine es ernst«, betonte sie. »Halt ganz still.«
»Urkk.« Der Papagei rührte sich nicht; ein einziges Mal blinzelte er.
»Wunderbar. Bleib so.« Das ist das gewünschte Motiv. Das ist Ed, teilte sie den Systemsonden in Gedanken mit. Primäre Datenmatrix. Kann Ed vollständig erfasst werden, oder sind irgendwelche Aktionen erforderlich?
** Sondierung beginnt. Aufzeichnung läuft. Bitte nichts unternehmen. **
Sie
nickte. »Ed, hierbei geht es um deinen Wunsch, mich auf meinen nächsten
Flug zu begleiten. Möchtest du immer noch mitkommen?«
»Awwrrrk. Ja! Ja!«
»Gut. Dann rühr dich nicht vom Fleck und halte auch den Schnabel.«
Der
Papagei gehorchte so perfekt, dass er aussah wie tot. Seine Augen
wurden groà und dunkel, blickten starr geradeaus, ohne zu zwinkern. Er
schien in eine Art Trance gefallen zu sein. Jael wartete. Sie hatte
nicht die geringste Vorstellung, was passieren würde. Vielleicht blieb
er einfach auf dem Ast hocken, während sich die Sonden seine
Gedächtnisinhalte einverleibten oder kopierten. Doch was dann geschah,
verblüffte sie über alle MaÃen.
Eds Augen schienen
immer gröÃer zu werden. Seine dunklen Pupillen weiteten sich mehr und
mehr; anfangs wirkte es ein bisschen merkwürdig, dann grotesk, als sie
überproportional zum Rest seines Körpers wuchsen. Die Pupillen drohten,
seinen gesamten Kopf in Schwärze zu tauchen. Die letzte Expansion ging
sehr rasch vonstatten; ein groÃer schwarzer Kreis blähte sich auf und
absorbierte nicht nur Ed, sondern den gesamten Wald. Jael war sich
nicht sicher, ob sich diese Finsternis tatsächlich ausgedehnt hatte,
oder ob ihr Blick in Eds Pupillen eingetaucht war. Vermutlich spielte
es keine Rolle.
In der Dunkelheit sah sie das Bild
eines bunt gefiederten Papageis, der durch einen Wald flog; es folgte
eine Szene desselben Vogels, viel kleiner, wie er sich mit dem Schnabel
aus einer Eierschale pickte. Dann wieder sah sie ihn, wie er in der
Wildnis nach Körnern und Beeren suchte, zusammen mit einer ganzen Schar
seiner Artgenossen.
Verwirrende und verschwommene
Visionen drängten auf sie ein, als er mit einem Netz gefangen wurde;
man sperrte ihn ein und verdrahtete seinen Kopf; man zapfte sein
Gedächtnis an, und das, was diesen Vogel ausmachte, verpflanzte man an
einen völlig anderen Ort, der anfangs kaum real oder stofflich zu sein
schien. Doch allmählich nahm diese Welt klare Konturen und Substanz an,
bis sie dem Original glich.
In diesem Habitat hausten
wunderliche Kreaturen, Leute tauchten auf und verschwanden wieder; hier
konnte der Vogel artikuliert sprechen, hier konnte er lernen,
Konversation treiben und Personen begegnen, die sich als Rigger
bezeichneten. Und in dieser Welt hatte er zu einem bestimmten Zeitpunkt
jemanden namens Ar und jemanden namens Jayl
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