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Im Innern des Wals

Im Innern des Wals

Titel: Im Innern des Wals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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wir an die Arbeit, mit Brot und Speck und einer Kanne kaltem Tee für unser Mittagsbrot. Wenn es nicht regnete, arbeiteten wir hintereinander bis etwa ein Uhr, machten Feuer zwischen den Reben, wärmten den Tee und ruhten uns eine
    halbe Stunde aus. Danach arbeiteten wir weiter bis halb sechs, gingen zu unserer Hütte zurück, reinigten die Hände vom
    Hopfensaft und tranken Tee. Um diese Zeit war es bereits
    dunkel, und wir sanken vor Müdigkeit um. Trotzdem sind wir an manchen Abenden noch ausgegangen, um Äpfel zu stehlen. In
    der Nähe war ein großer Obstgarten, den drei oder vier von uns systematisch plünderten. Sie nahmen einen Sack mit und kamen jedesmal mit etwa fünfzig Pfund Äpfeln und mehreren Pfund
    Nüssen zurück. Sonntags wuschen wir unsere Hemden und
    Socken im Fluß und verbrachten den übrigen Tag mit Schlafen.
    Soweit ich mich erinnere, habe ich mich die ganze Zeit, die wir dort waren, nie ganz ausgezogen, nie die Zähne geputzt, und mich nur zweimal die Woche rasiert. Bei der vielen Arbeit und der umständlichen Kocherei (wozu das fortwährende
    Wasserholen gehörte, der Kampf mit dem feuchten Brennholz, das Braten im Blechdeckel etc.) hatte man keinen Augenblick Zeit. Während meines ganzen Aufenthalts auf den
    Hopfenfeldern habe ich nur ein Buch gelesen, und das war ein Buffalo-Bill-Heft. Wenn ich unsere Ausgaben zusammenrechne, stelle ich fest, daß Ginger und ich nicht mehr als 10 s. pro Woche ausgaben, kein Wunder, daß wir nie genug Tabak hatten und immer hungrig waren, trotz der Äpfel und allem, was die ändern uns schenkten. Ich glaube, wir mußten die letzten Pennys zusammenkratzen, um zu sehen, ob wir noch eine halbe Unze Tabak oder für 2 p. Speck kaufen konnten. Wir führten kein schlechtes Leben, aber da wir den ganzen Tag standen, nachts unbequem schliefen und meine Hände bis aufs Blut zerkratzt waren, war ich am Ende der Zeit ein Wrack. Es war beschämend für mich, zu sehen, daß die meisten Arbeiter das Ganze fast als
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    Erholung ansahen, einige sahen darin einen Zeitvertreib, was auch erklärt, warum die Pflücker sich mit so niedrigen Löhnen zufriedengeben. Man
    kann die Lebensumstände der
    Landwirtschaftsarbeiter daran abschätzen, daß nach ihren
    Erfahrungen Hopfenpflücken kaum als Arbeit zählt.
    Eines Nachts klopfte ein junger Mann an unsere Tür und
    sagte, er sei zum Pflücken eingestellt und angewiesen worden, in unserer Hütte zu schlafen. Wir ließen ihn herein und teilten am Morgen unser Frühstück mit ihm, worauf er auf
    Nimmerwiedersehen verschwand. Es stellte sich heraus, daß er kein Pflücker war, sondern ein Landstreicher und einen für sie typischen Trick benutzte, um nachts nicht im Freien schlafen zu müssen. Ein andermal erschien abends eine Frau, die nach
    Hause zurückfahren wollte, und bat mich, ihr beim Fortschaffen ihres Gepäcks zum Bahnhof von Wateringbury zu helfen. Da sie die Arbeit vorzeitig aufgegeben hatte, hatte man ihr nur einen Shilling pro acht Scheffel ausgezahlt, und ihr ganzer Verdienst reichte nur für die Rückfahrt mit ihrer Familie aus. Ich mußte einen Kinderwagen mit einem ausgeleierten Rad und riesigen Bündeln beladen über eine halbe Meile durch die Dunkelheit schieben, vo n einer Horde schreiender Kinder gefolgt. Als wir zum Bahnhof kamen, lief der letzte Zug ein, und beim
    Überqueren der Gleise stieß ich den Kinderwagen um. Ich
    werde nie den Augenblick vergessen der Zug rollte langsam auf uns zu, und ein Träger und ich jagt en hinter einem blechernen Nachttopf her, der die Schienen entlangrollte.
    Verschiedentlich versuchte Ginger mich abends zu überreden, mit ihm zusammen in eine Kirche einzubrechen. Er hätte es
    bestimmt allein getan, wenn es mir nicht gelungen wäre, ihm einzutrichtern, daß der Verdacht unweigerlich auf ihn als
    Kriminellen fallen würde. Er war schon mehrmals in Kirchen eingebrochen und sagte, das lohne sich wegen des Inhalts des Opferstocks im allgemeinen, was mich überraschte.
    Ein- oder zweimal machten wir uns sonnabends einen netten
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    Abend, saßen bis Mitternacht um ein großes Feuer und brieten Äpfel. An einem Abend kam heraus, daß von den fünfzehn, die um das Feuer saßen, jeder außer mir schon einmal im Gefängnis gesessen hatte. Im Dorf kam es jeden Sonnabend zu Krawallen, weil diejenigen, die Geld hatten, sich sinnlos betranken und nur mit Hilfe der Polizei aus dem Pub gebracht werden konnten.
    Zweifellos hielten uns die Dorfbewohner für ganz gemeines
    Pack, aber

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