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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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flehte erstickt, er möge weitermachen, immer weiter, so lange, bis es endlich genug war und noch viel mehr als das: genug Nähe, genug Liebe, genug Begierde – und genug Vergessen.
    Später schlief sie in seinen Armen ein, und als sie erwachte, lag sie immer noch dicht an ihn gepresst. Der Schweiß war erkaltet, das Klopfen ihres Herzens hatte sich verlangsamt, der Atem war ruhiger geworden.
    »Ich liebe dich so sehr«, murmelte sie und weinte. Weinte um sich, um ihn, um Ricardo, um alle anderen, und weinte ob der Ahnung, dass hinter diesem Tal der Tränen ein schmaler Lichtstreif schimmerte.

    Es war bereits dunkel, als sie zurückkehrte. Kaum drang Licht durch die Fensterläden, und als sie die Stube betrat, war sämtliches Holz im Herd zur matten Glut verglommen. Lautlos huschte sie durch den Raum. Sie wollte kein Geräusch machen, um Lukas und die beiden Söhne nicht aufzuwecken, die wahrscheinlich schon lange oben in ihren Betten schliefen.
    Im Gehen legte sie ihr Umhangtuch ab. Nichts war von der Wärme geblieben, die sie in Cornelius’ Umarmung gefunden hatte; ihre Kleidung fühlte sich nass und klamm an.
    Fast hatte sie die Holzleiter erreicht, als sie an der Tür eine Bewegung wahrnahm. Sie fuhr herum und sah nur einen Schatten, nicht, wer es war.
    »Christine … Christine …«, stammelte Annelie.
    Elisa war verwirrt. Warum sprach Annelie nicht ihren Namen aus, sondern den ihrer Schwiegermutter? Und warum klang es so, als würde sie schluchzen?
    Da erst sah sie den zweiten Schatten – den von Christine Steiner, die völlig in sich zusammengesunken war. Annelie stand über sie gebeugt – wahrscheinlich schon seit längerem, ohne je von ihr zu weichen und Holz nachzulegen.
    »Was …was …«, entfuhr es Elisa.
    Von ihrem Kopf rieselte Heu. Sie fuhr sich durchs Haar und ertastete noch mehr Halme.
    Sie wissen es, durchfuhr es sie, sie wissen, was ich getan habe … was Cornelius und ich getan haben.
    »Ich …«, setzte sie an.
    »Christine …«, stammelte Annelie wieder.
    Da richtete sich Christine abrupt auf. Als Elisa näher trat, sah sie im rötlich-schwachen Lichtschein, dass Tränen in ihren Augen glitzerten. »Jule sollte hier sein.« Ihre Stimme klang gebrochen. »Auch wenn sie ihm nicht helfen kann, so sollte sie wenigstens bei ihm sein.«
    Da erst wusste Elisa, dass etwas Schlimmes geschehen war, etwas viel Schlimmeres als das, was sie selbst gerade getan hatte – aus Trauer, aus Verzweiflung, aus Sehnsucht und aus Liebe … Es gab so vieles, was sie in Cornelius’ Arme getrieben hatte, aber nichts, was ausreichte, um sich selbst zu verzeihen – nicht, als Christine fortfuhr und sie erfasste, was geschehen war.
    »Elisa, es ist Lukas …«
    Das Entsetzen traf sie wie ein Schlag. Ihre Knie zitterten, sie schwankte, und während Christine steif stehen blieb, eilte Annelie neben sie, um sie zu stützen.
    »Was ist passiert?«, schrie Elisa.
    Ihr Entsetzen war nicht das schlimmste Gefühl – vielmehr, dass sich zu ihrer Furcht um Lukas eine andere gesellte, eine viel schäbigere: die Furcht, dass Annelie womöglich Cornelius’ Geruch wahrnehmen würde, der an ihr klebte.
    Unwirsch riss sie sich von ihr los. »Was ist passiert?«, fragte sie wieder, diesmal etwas leiser.
    »Er hatte die ganze Zeit über Fieber … nur hat es niemand bemerkt«, berichtete Christine stockend. »Vorhin wollte er wieder das Dach der Vorratskammer reparieren. Doch scheinbar ist er ohnmächtig geworden. Vielleicht lag es nicht am Fieber, sondern an seiner Kopfverletzung. Er ist … er ist zusammengebrochen und vom Dach gefallen.«
    Plötzlich hörte Elisa Gemurmel von oben. Es erinnerte an die düsteren Tage, in denen Magdalena für ihr totes Kind gebetet hatte. Jetzt saß sie wohl am Krankenbett des ohnmächtigen Bruders, den Annelie, wie Christine berichtete, reglos auf dem Boden liegend gefunden hatte und der sein Bewusstsein seitdem nicht wiedererlangt hatte.
    Elisa schwankte. Wieder stützte Annelie sie, und diesmal hatte sie keine Kraft, sie zurückzustoßen. »Und Jule?«, rief Elisa. »Was hat Jule gesagt?«
    Christine wandte sich ab. Ihre Schultern zitterten.
    »Sie hat gesagt, dass sein Blick nicht auf Licht reagiert«, murmelte Annelie an ihrer statt, »und dass das ein schlechtes Zeichen ist.«
    Sie schwiegen. Das einzige Geräusch, das zu ihnen drang, war Magdalenas Gemurmel. Als sie für Ricardo gebetet hatte, hatte das Hämmern von Lukas diesen Laut fast übertönt. Nun würde er

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