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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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alt. Ich habe sonst niemanden, mit dem ich reden könnte. Ich brauche …«
            Nun, was sonst hätte er denken sollen? Walther hatte sich diese Frage wohl schon tausend Mal gestellt. Tausend Mal. Er erstickte das lang vertraute Schluchzen, das sich mit der Erinnerung Bahn brechen wollte, und trieb das Pferd die dunkle Straße entlang, denn er konnte es sich nicht erlauben, den Anschluss zu verlieren.
            Er hatte sich so geirrt. Als sein Vater ihn brauchte, war Walther nicht für ihn da gewesen, und dieses Versagen hatte er sich nie verziehen.
            Die Arbeiter der Frühschicht fanden seinen Vater, der sich an dem Baum neben dem Schuppen erhängt hatte.
            Walther stand unter Schock. Er konnte es nicht akzeptieren. Er wollte nicht glauben, dass sein Vater Selbstmord begangen hatte. Jedem, der ihm zuhören wollte, erzählte er etwas von Mord, bis der Pastor sehr freundlich, aber streng auf ihn einwirkte.
            Niemand konnte ihm eine Erklärung geben. Kein Mensch. Walther war verletzt und beschämt, weil sein Vater die Familie offenbar ohne guten Grund im Stich gelassen hatte. Seine Brauerei, Badke Bier, war berühmt und machte gute Umsätze. Sie besaßen ein großes Haus im Dorf. Familie und Freunde. Was also war geschehen?
            Als die Familie und die besagten Freunde sich um die Hinterbliebenen versammelten und laute Stimmen die Feierlichkeit störten, war Walther verwirrt. Er hörte seine Mutter und seine Tante in der Küche streiten. Er musste einschreiten, als Großvater Badke sich weigerte, mit seiner Mutter zu sprechen, sie in ihrem eigenen Haus ächtete. Doch allmählich kam es ans Tageslicht: die schmutzige Geschichte, dass seine Mutter einen Geliebten hatte.
            »Ist das ein Grund, sich umzubringen?«, fragte Walther den Pastor. »Hätte er sie nicht aus dem Haus werfen können? Oder ihren Geliebten umbringen, ihn aus dem Weg räumen können?«
            »Ich glaube, Gewalt lag deinem Vater nicht. Menschen machen Fehler. Du darfst deine Mutter nicht verurteilen, Walther.«
            Aber er verurteilte sie an dem Tag, als er nach langen Nachforschungen erfuhr, wer ihr Geliebter war. Sein Onkel. Der Bruder seines Vaters. Der Vater seiner Vettern, seiner besten Freunde. Der Mann jener Frau, die seine Mutter während einer heftigen Masernerkrankung gepflegt hatte. Sie hatte sie alle betrogen. Sie, seine Mutter, hatte auch ihn betrogen. Walther war am Boden zerstört, auch durch das Wissen, dass er, wenn er zurückschlug, seine Freunde noch mehr verletzte.
            Das Testament wurde verlesen. Der Verstorbene hinterließ all seine irdischen Güter seinem einzigen lebenden Erben, Walther. Er hatte keinerlei Vorkehrungen für seine Frau getroffen. Das tat auch Walther nicht. Er verkaufte die Brauerei und war trotz der verzweifelten Bitten seiner Mutter im Begriff, auch das Haus zu verkaufen, als der Pastor wieder zu Besuch kam.
            »Das kannst du nicht tun, Walther. Du kannst deine Mutter nicht auf die Straße setzen. Sie wäre völlig mittellos.«
            »Soll mein Onkel für sie sorgen. Er ist schuld an allem.«
            Er unternahm lange Spaziergänge mit dem Pastor, bis er sich schließlich zum Nachgeben überreden ließ. Oder vielleicht war er auch all der Probleme nur überdrüssig, überlegte Walther, als die Reiter vor ihm von der Hauptstraße abbogen.
            »Pass auf!«, rief ihm der Ire über die Schulter hinweg zu. »Der Weg ist uneben. Er wird nur selten benutzt.«
            Walther nickte. Er roch kalten Rauch, doch von einem Buschbrand war noch nichts zu sehen.
            »Wie weit ist es noch?«, rief er.
            »Etwa zehn Meilen bis zur ersten Parzelle.«
            Der ersten Parzelle. Das erinnerte Walther an etwas. Auf einer Erhebung nördlich seines Heimatdorfes hatte sich herrliches Weideland befunden, und Walt Badke hatte es immer schon haben wollen.
            »Eines Tages«, sagte er zu seinem Sohn, »habe ich genug gespart, um das Land kaufen zu können, und dort werden wir uns ein schönes Haus bauen. Hoffen wir, dass nicht ein anderer vor uns auf diese Idee kommt.«
            Walther hatte genügend Geld dafür, aus dem Verkauf der Brauerei. Er hatte reichlich Geld.
            Er hatte das Land gekauft, den Rest investiert, hatte ein paar Habseligkeiten in seinen Rucksack gepackt und war still

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