Im Land der tausend Sonnen
Herr Hoepper, unser Herkommen hat gute und auch schlechte Seiten. Ich dachte, wir würden auf einer großen Farm leben, zum Schutz gegen die Schwarzen eingezäunt, und wir würden alle zusammen das Land bestellen und glücklich und zufrieden leben.«
»Und die Schule?«
»Ja. Wir würden eine eigene Schule haben, in der der Pastor unterrichtet.«
»Aber in der Hinsicht haben Sie Ihre Meinung doch geändert.«
»Weil ich nicht wusste, dass der Schulbesuch hier nichts kostet, und ich hatte das Sprachproblem nicht bedacht. Ich hatte erwartet, dass der Pastor auf Deutsch unterrichtet, wie er es auch vorhat, aber, Herr Hoepper, darüber sollten Sie mal mit ihm reden. So geht das einfach nicht. Unsere Kinder müssen so schnell wie möglich Englisch lernen. Das habe ich zu Anfang nicht gewusst.«
»Wenn es eine lutherische Schule mit einem Englisch sprechenden Lehrer gäbe«, fragte Hubert und dachte dabei an Vikar Ritter, »würden Sie die Kinder dann vielleicht zurück in die Gemeinde bringen?«
»Ah, nein, verstehen Sie, da gibt es noch etwas anderes …«
»Was denn, Frau Zimmermann?«
»Die Missionsschule. Pastor Beitz redet doch ständig von einer Missionsschule. Ehrlich gesagt, vor unserer Ankunft hier habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Ich war nur ganz versessen darauf, hierher zu kommen. Aber wie soll das gehen? Will er zwei Schulen gründen?«
»Ich weiß nicht, das wäre wohl kaum durchführbar.«
»Wie auch immer, Herr Hoepper, das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich habe meine Freiheit. Außer zur Kirche gehe ich nicht mehr zurück in die Gemeinde. Und Frau Fechner wohl auch nicht.«
»Wer redet da hinter meinem Rücken über mich?« Die junge Frau, die als Stubenmädchen arbeitete, trat fröhlich ein, mehrere Wasserkrüge im Arm, doch als sie Hubert sah, zuckte sie nervös zusammen.
»Oh, Herr Hoepper, entschuldigen Sie. Störe ich?«
»Überhaupt nicht«, sagte Eva Zimmermann stolz. »Herr Hoepper ist nur auf ein Plauderstündchen hereingekommen. Um zu hören, wie es uns so geht, und ich habe ihn zu einer Tasse Tee überreden können.«
»Oh, ich bleibe ja nicht. Ich wollte nur diese Krüge ausspülen …«
»Wenn Sie ein paar Minuten erübrigen könnten«, sagte Hubert. »Wir reden gerade über die Entwicklungen in der Gemeinde.«
»Ach, das!«, erwiderte sie. »Wen interessiert das schon?«
Hubert blieb ruhig. »Sie sind vermutlich enttäuscht, Frau Fechner.«
»Ja, sehr. Ich dachte, wir würden hier in einem eigenen Dorf leben, mit viel Land und nur ein paar Familien, und ich dachte, wir würden eigenes Land besitzen. Wir waren bereit, hart zu arbeiten, um viel Geld zu verdienen.«
»Und was dann? Wenn Sie viel Geld verdient hätten?«
»Dann könnten wir nach Hause. Zurück nach Deutschland und uns einen schönen Hof kaufen.«
Vikar Ritter kam zu Besuch, wie er es häufig tat, und zwar gewöhnlich zu den Mahlzeiten, um sich einladen zu lassen. Heute ärgerte auch er sich über die Gemeinde und wollte Hubert bitten, Pastor Beitz seine Forderung vorzutragen. »Er versteht anscheinend nicht, Herr Hoepper, dass wir die Aborigines genauso behandeln müssen wie die Kanaken, die auf den Zuckerrohrfeldern arbeiten. Sie sollten zu festen Zeiten und für geregelten Lohn auf unseren Feldern arbeiten. So könnten wir das Land bedeutend schneller urbar machen, wir könnten uns selbst versorgen und endlich anfangen, Gewinn zu machen. Wenn etwa dreißig Eingeborene für uns arbeiten würden, ließe sich unsere Finanzlage im Handumdrehen zum Besseren wenden. Sie wissen, dass das Kirchenkonto bei der Bank in den roten Zahlen ist?«
»Ja, ich weiß. Das ist sehr ungünstig. Ich überlege schon lange, wie ich helfen könnte …«
»Danke. Spenden wären höchst willkommen.«
»Ich bezweifle, dass Spenden auf lange Sicht nützen. Wie denkt Pastor Beitz über die Anstellung von Eingeborenen?«
»Er hält gar nichts davon. Er glaubt, sobald sie zum Christentum bekehrt sind, würden sie glücklich und zufrieden für ein paar Nahrungsmittel und Gotteslohn arbeiten. Er lebt in einer Traumwelt.«
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