Im Land des Falkengottes. Amenophis
bereits angekündigt, und so war alles auf den Einzug der fremden Prinzessin und ihrer Begleiter vorbereitet. Es gab niemanden in Waset, der zu Hause geblieben wäre, und so säumten die fast fünfzigtausend Menschen, die in den Mauern der Stadt lebten, die Straßen und Plätze, auf welchen wir einzogen. Kinder warfen Blumen, Hochrufe und Gesänge begleiteten den langen Zug, der wegender vielen Menschen immer langsamer wurde, je näher wir dem Palast kamen. Dreihundertsiebzehn Hofdamen und Dienerinnen aus Mitanni begleiteten Prinzessin Giluchepa, und sie alle verließen nun im großen Hof des Palastes die Wagen und nahmen für ihre Herrin Aufstellung.
Amenophis trug neben Krummstab und Geißel, Zeremonialbart und Prunkkragen die Doppelkrone. Der mächtigste Herrscher der Erde saß zwischen vier Wedelträgern neben Teje und den Prinzen auf dem Thron aus Elektron, daneben viele Große des Landes und die vier Ersten Sehenden des Amun.
Der Wesir, mein Vater, Ptahmay und ich hielten am Fuß der langen Treppe inne und warfen uns vor Pharao in den Staub, bis uns seine Stimme befahl, aufzustehen und vor ihn zu treten. Langsam stiegen wir die zweiundzwanzig Stufen, von welchen jede einen der oberägyptischen Gaue symbolisierte, empor. Vor seinem Thron warfen wir uns nochmals nieder.
«Erhebt euch», sagte Nimuria mit der wohlklingenden Stimme eines milden und gütigen Herrschers. Er hielt die Hand Tejes, sie aber machte ein ernstes, ja verbittertes Gesicht. Wie versteinert saß sie neben ihm und sah über all die Menschen hinweg, irgendwohin in die Ferne. Einerseits wusste ich, dass die Heirat Nimurias mehr eine Verbindung mit Mitanni war, als mit dem Mädchen Giluchepa, andererseits empfand ich Mitleid mit meiner Schwester. Sie konnte sich nicht sicher sein, ob ihrem Gemahl die Prinzessin nicht doch mehr bedeutete, als er zuzugeben bereit war.
«Herr Beider Länder», begann der Wesir seine Rede, «Giluchepa, die Tochter Eures Bruders Sutarna, führen wir wohlbehalten vor Euren Thron. Begleitet von Kelija, dem Abgesandten Sutarnas, dem Bruder Eurer Majestät, erscheint sie mit viel Gefolge und Geschenken ohne Zahl.»
Die Dienerinnen und Hofdamen Giluchepas bildeten eindichtes Spalier vom Wagen ihrer Herrin bis zum Treppenansatz, und sechs von ihnen geleiteten die Prinzessin hindurch. Ameni ließ die Hand Tejes los, erhob sich und stieg zwischen den Wedelträgern langsam die Stufen hinab, seiner Braut entgegen. Ein weißer Schleier verdeckte Giluchepas Gesicht. Mit einem freundlichen Lächeln neigte Pharao ein wenig den Kopf, dann legte er Krummstab und Geißel in die linke Armbeuge, hob mit der Rechten den Schleier und warf ihn nach hinten über den Kopf der Prinzessin.
«Ich bin hocherfreut, und glücklich ist mein Volk, dass du zu uns gekommen bist, um meine Frau zu werden.»
Amenophis gab sich Mühe, vertraulich leise zu sprechen, aber ich konnte jedes seiner Worte verstehen.
«Euer Diener Kelija hat dich als liebreizend und schön beschrieben. Was ich sehe, übertrifft meine Erwartungen bei weitem.»
Dann nahm er ihre rechte Hand und führte Giluchepa, die noch immer schwieg, langsam hinauf zu seinem Thron und blieb vor Teje stehen. Mit der Erfahrung einer Ehefrau, mit den uns Männern unbekannten Fähigkeiten, die nur Frauen besitzen, muss Teje sofort erkannt haben, dass Giluchepa für sie keine große Gefahr bedeutete. Ihre Gesichtszüge erhellten sich und wurden freundlich. Sie erhob sich von ihrem Thron und sagte mit dem freundlichsten Gesicht, das man sich bei ihr nur vorstellen konnte: «Ich freue mich, meine Schwester, dich gesund und wohlbehalten bei uns zu sehen. Mögest du viele und glückliche Jahre mit deinem Gemahl und in unserem Lande verbringen. Sei gesegnet mit Kindern zur Freude und zum Stolz Nimurias!»
Teje umfasste beide Schultern der Prinzessin und küsste sie wie eine Schwester auf beide Wangen. Nicht nur Amenophis war die Erleichterung über den offensichtlich freundlichen Empfang durch Teje anzusehen.
«Ich bin sehr glücklich und freue mich, so freundlich von euch aufgenommen zu werden», waren Giluchepas erste Worte, die sie an das Königspaar richtete. Jeder von uns trat jetzt vor die Prinzessin und verneigte sich, während der Wesir Namen und Titel nannte. Giluchepa war nicht groß und hatte nicht die zierliche Figur ägyptischer Frauen. Ihre Brüste waren voll und ihre Schenkel kräftig. Ihr dichtes dunkelbraunes Haar war kunstvoll zu einem Turban gewickelt und mit langen goldenen
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