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Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Licht der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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kontrollieren«, erwiderte Ripley mit unsicherer Stimme, während sie am Fenster stand und in die Dunkelheit hinausstarrte. »Sie konnte es nicht verhindern.«
    »Egal, ob sie es nicht konnte oder nicht wollte, sie hat es nicht kontrolliert, hat es nicht verhindert und hat dadurch sich selbst und alles, was sie liebte, verdammt.«
    »Und die Dritte.« Mit Tränen in den Augen fuhr Ripley wieder vom Fenster herum. »Sie, die Feuer hieß, fand einen verzauberten Seehund in Menschengestalt, der in einer Höhle in der Nähe einer Bucht schlief. Und sie nahm ihm sein Fell weg, versteckte es und band ihn an sich.«
    »Es ist nicht gegen die Gesetze der Magie, so etwas zu tun.« Mit einer lässigen Bewegung, die sie große Anstrengung kostete, beugte Mia sich vor und wählte einen Käsewürfel von einem Tablett aus. »Sie nahm ihn zu ihrem Geliebten und zum Ehemann und zog ihre Kinder gemeinsam
mit ihm auf und dann die Kinder ihrer verlorenen Schwestern.«
    Der Käse schmeckte wie Kreide, aber Mia knabberte betont gelassen daran. »Sie schenkte ihm ihr Herz. Aber dann kam der Tag, an dem sie in ihrer Wachsamkeit nachließ, und er fand seinen Pelz. Und obwohl er sie aufrichtig geliebt hatte, war der Lockruf des Meeres doch stärker, denn wenn ein Seehund sein Fell wieder hat, zieht es ihn unwiderstehlich ins Meer zurück. Er vergaß sie, vergaß ihr gemeinsames Leben, ihre Liebe, ihre Kinder – als ob sie niemals existiert hätten – und verließ sie um des Meeres willen.«
    Mia hob eine Schulter. »Ohne Schwestern, ohne Geliebten, ohne Ehemann, verzehrte sie sich vor Kummer und verzweifelte schließlich völlig. Sie verfluchte ihre magischen Kräfte, weil sie ihr Liebe beschert und ihr diese Liebe dann einfach wieder genommen hatten. Und sie schwor ihren Kräften ab und sprang von den Klippen ins Meer, wohin ihr Geliebter verschwunden war.«
    »Der Tod ist keine Lösung«, murmelte Nell. »Ich weiß das.«
    »Für sie war es in dem Moment aber die Lösung«, erklärte Mia. »Und deshalb müssen die Nachkommen der Schwestern, der ursprünglichen drei Schwestern, dreihundert Jahre später Wiedergutmachung dafür leisten und die Sache wieder ins Lot bringen, müssen jeden Schlüssel wieder zurückdrehen. Einen nach dem anderen. Sonst wird die Insel, die sie einst erschaffen haben, für immer im Meer versinken.«
    »Wenn du das wirklich glaubst, warum lebst du dann hier?«, verlangte Ripley zu wissen. »Warum wohnst du dann in diesem Haus, warum die Buchhandlung, warum alles?«
    »Dies ist mein Zuhause und meine Zeit. Genauso wie es deine Zeit ist und Nells, genauso wie die Insel dein Zuhause ist und auch Nells. Wenn du nicht daran glaubst, warum bist du dann heute Abend hier?«
    Mia konnte fühlen, wie Wut in ihr aufwallte, doch sie drängte sie mit aller Macht zurück. Als sie sich wieder in der Gewalt hatte, sah sie den Kummer und den Schmerz in Ripleys Gesicht. Es fiel ihr nach so vielen Jahren nicht leicht, die Hand zur Versöhnung zu reichen, aber sie stand auf und streckte Ripley die Hand hin.
    »Sag mir, was dich quält. Lass mich dir helfen.«
    »Ich hatte eine Vision, und ich habe gesehen … es war entsetzlich qualvoll, als ob ich vom Kopf bis zum Bauch aufgeschlitzt würde. Und es ging so schnell, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, um zu reagieren.«
    »Du weißt, dass es nicht so sein muss. Du weißt, dass es keine Qualen von dir fordert und nicht von dir verlangt, dass du leidest.«
    »Dreifach.« Eine einzelne Träne kullerte über Ripleys Wange, bevor sie sie aufhalten konnte. »Was man ausschickt, kommt mit dreifacher Gewalt zu einem zurück. Sie vernichtete sie alle.«
    »Nicht nur sie allein. Jede von ihnen hatte eine gewisse Verantwortung. Sag mir, was dich bedrückt.« Mia wischte behutsam die Träne von Ripleys Wange. »Was hast du gesehen?«
    »Ich habe gesehen …« Ripley ließ die Vision wie einen Film vor ihrem geistigen Auge abspulen, und ihre Stimme war wieder etwas ruhiger und fester, als sie fortfuhr. »Ich weiß nicht, wer er war oder was er verkörperte, aber er wird kommen. Keine von euch konnte mich daran hindern, ebenso wenig, wie ich mich selbst davon abhalten konnte. Es war mein Messer, Mia. Mein rituelles Messer. Ich habe ihn in meiner Vision damit getötet, habe uns alle damit getötet.«
    »Das wirst du nicht tun. Das wirst du ganz bestimmt nicht tun«, wiederholte Mia, bevor Ripley protestieren konnte. »Du bist zu stark, um dich zu einer solchen Tat hinreißen zu

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