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Im Meer schwimmen Krokodile

Titel: Im Meer schwimmen Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Geda
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sich um einen Schlepper, bei dem ich mich als sein Freund vorstellen sollte, damit er mich gut behandelte und nicht betrog, was man in solchen Fällen niemals ausschließen kann. Dann ging er in die Küche, schenkte mir ein Paket mit gerösteten Kichererbsen und Rosinen und sagte, dass er mir nicht mehr mitgeben könne außer seinem Segen. Er wünsche mir, dass ich wohlbehalten ankomme.
    Ich hatte mich also entschieden und wollte nicht mehr zurückschauen.
    Ich verabschiedete mich von Zaman und versprach ihm, ein bisschen im Koran zu lesen, falls ich einen fände. Dann ging ich zum Sahib und dankte ihm für alles. Anschließend besuchte ich die Jungs vom Liaquat Basar und erzählte ihnen von meinen Plänen. Davon, dass ich fortgehen würde.
    Wohin?
    In den Iran.
    Und wie kommst du dorthin?
    Mit einem Schlepper. Onkel Rahim hat mir seinen Namen genannt.
    Wenn sie dich erwischen, landest du in Telisia oder Sang Safid.
    Dann sollen sie mich eben erwischen. Hier will ich nicht bleiben.
    Es heißt, dass viele dabei umkommen, weil die iranische Grenzpolizei auf dich schießt.
    Es heißt aber auch, dass es dort gute Arbeit gibt, meinte ein anderer.
    Das sind alles bloß Gerüchte, sagte ich. Ob sie stimmen, weiß man erst, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat.
    Sufi aß Datteln und kaute darauf herum wie ein Kamel. Er wischte sich mit dem Ärmel seines Pirhan über den Mund und setzte den Bauchladen ab. Dann machte er einen Satz zurück und sprang auf eine Mauer, wo er eine Eidechse verscheuchte, die sich dort sonnte. Er schwieg ein paar Minuten, so wie immer, mit verschränkten Armen und Beinen. Dann sagte er: Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?
    Ich zuckte die Achseln. Ich wusste nur eines: Ich wollte hier weg.
    Ich möchte auch nicht bleiben, sagte Sufi.
    Ich schwieg, weil ich wollte, dass er es selbst sagt.
    Ich komme mit, Enaiat.
    Als wir mit dem Schlepper sprachen, in einem von Taryak -Rauch geschwängerten Raum, in dem ein Haufen Männer Chai tranken und Opium erhitzten, wollte der Typ sofort Geld sehen. Aber wir besaßen die gewünschte Summe nicht. Wir leerten die Taschen unseres Pirhan , stülpten sie nach außen und türmten alle unsere Ersparnisse vor ihm auf. Es war ein beträchtlicher Geldhaufen.
    Das ist alles, was wir dir geben können, sagte ich. Und keine halbe Rupie mehr.
    Er musterte uns lange, als wollte er uns ein Gewand anmessen. Euer bisschen Geld reicht nicht mal für das Busticket bis zur Grenze, sagte er.
    Sufi und ich sahen uns an.
    Aber es gibt eine andere Lösung, sagte er. Ich bringe euch in den Iran. Aber dort müsst ihr arbeiten, wo ich es euch sage, erklärte er, wobei er einen Apfel klein schnitt und ein Stück davon mit dem Messer zum Mund führte.
    Arbeiten! Das ist ja wunderbar, erwiderte ich. Ich traute meinen Ohren kaum. Er wollte uns nicht nur in den Iran bringen, sondern uns auch noch Arbeit beschaffen.
    Drei oder vier Monate lang, je nachdem, was mich eure Reise gekostet hat, werde ich euren Lohn einbehalten, sagte der Schlepper. Danach seid ihr frei und könnt tun und lassen, was ihr wollt. Wenn ihr euch dort wohlfühlt, könnt ihr bleiben, ansonsten geht ihr woandershin.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und Sufi hätte sich mit geschlossenen Augen zum Gebet hingekniet – so ruhig und schweigsam war er. Ich war völlig benommen von dem Rauch und der Dunkelheit. Ich versuchte zu ergründen, wo da der Haken war, denn Schlepper sind berühmt für ihre fiesen Tricks. Aber wir hatten nun mal nicht mehr Geld, und er musste die Belutschen und Iraner bestechen, damit sie uns über die Grenze ließen. Und das war nun mal das Teuerste, da hatte er nicht ganz unrecht. Außerdem waren wir nicht seine Söhne, und er wollte mit unserem Transport kein Verlustgeschäft machen. Darüber hinaus hatte ich mich als Freund von Onkel Rahim vorgestellt. Ich war also nicht irgendwer, und das machte mir Mut.
    Sufi und ich willigten ein.
    Morgen früh um acht seid ihr hier, sagte er. Khoda negahdar.
    Um acht. Vor dem Eingang des Lokals. Aber weder Sufi noch ich besaßen eine Uhr, besser gesagt, weder Sufi noch ich hatten je in unserem Leben eine Uhr besessen. Wollte man in Nawa die Uhrzeit wissen, maß man den Schatten mit den Schritten, und wenn keine Sonne schien, schätzte man die Uhrzeit. Als Wecker dienten das Licht, die Rufe der Muezzin, der Hahnenschrei und in Quetta der Lärm der erwachenden Stadt. Daher beschlossen Sufi und ich, in dieser Nacht nicht zu schlafen. Wir schlenderten

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