Im Morgengrauen
liebe dich.“
Erneut küsste er mich.
„ Du hast irgendetwas zu verbergen. Du weichst meinen Fragen aus und anstatt sie zu beantworten, versuchst du, mich mit Liebeserklärungen und Küssen abzulenken.“
„ Keine schlechte List!“, meinte er schelmisch. „Hast du sie etwa schon bei mir angewandt?“
War das jetzt eine neue Ablenkung? Womöglich ein Test? War ihm neulich aufgefallen, dass ich versucht hatte, das, was zwischen mir und Manuel vorgefallen war, zu vertuschen? Wie dem auch sei, sollte er diesbezüglich irgendwelche Zweifel gehabt haben, wurden sie in diesem Moment durch mein Erröten weggefegt. Ich war eine lausige Lügnerin. Eigentlich hatte ich Yannick ertappen wollen, er hatte den Spieß einfach umgedreht. Zum Glück versuchte er nicht einmal, seinen Sieg auszukosten. Ganz im Gegenteil, er nahm mich in seine Arme und bat mich, Aquila schnell zu striegeln, damit wir unter die Dusche konnten. Dankend griff ich nach dem Strohhalm und versuchte, nicht mehr zu erfahren, was die beiden ausgeheckt hatten.
Mein Vater ließ gerade den Motor des Rasenmähers laufen, als wir das Grundstück betraten. Ich drehte mich kurz zu Yannick um. Beim Anblick der leuchtenden Augen und dieses Lächelns wusste ich: Wir hatten einen und denselben Gedanken. Papa war erstmal beschäftigt. Wir hatten Zeit zu duschen und mussten nicht fürchten, dabei ertappt zu werden.
An diesem Abend spielten wir zu fünft Karten. Zum ersten Mal ging Yannick zur selben Zeit wie ich ins Bett. Selbstverständlich begab er sich fürs Protokoll zunächst in das benachbarte Zimmer und schlich sich bald, wie gewohnt, in mein Bett. Neu war allerdings die Tatsache, dass ich am nächsten Tag neben ihm aufwachte.
30
Ich konnte es kaum glauben, ich war in seinen Armen eingeschlafen und wieder an seiner Seite aufgewacht. Obendrein war ich achtzehn. Endlich! Für meinen Vater würde das wahrscheinlich gar nichts ändern, trotzdem hatte ich das Gefühl, einen kleinen Schritt zu größerer Freiheit gemacht zu haben. Eine Weile liebkoste ich Yannick mit meinen Augen, ohne ihn zu berühren. Ich hätte ihm ewig zuschauen können, konnte mich gar nicht an ihm sattsehen. So erschrak ich fast, als er mich mit geschlossenen Augenlidern begrüßte.
„ Wie hast du das gemacht?“, fragte ich verblüfft.
„ Was gemacht?“, wollte er wissen, während sich seine Augen allmählich öffneten.
„ Wie wusstest du, dass ich wach bin?“
„ Ich habe dich gespürt.“
„ Ich habe dich aber nicht berührt.“
„ Ach nein? Ich hatte den Eindruck. Alles Gute zum Geburtstag, meine Süße.“
Ein inniger zärtlicher langer Kuss folgte.
„ Ist dir klar, dass wir zum ersten Mal eine ganze Nacht miteinander verbracht haben?“, fragte ich aufgeregt.
„ Natürlich, das war ja auch Absicht. Betrachte es als dein erstes Geschenk. Du wirst gleich feststellen können, dass ich beim Schenken sehr egoistisch sein kann. Aber zuerst etwas nur für dich!“
Er griff mit einer Hand unter das Bett und holte ein Geschenk hervor. Der Größe nach zu urteilen, handelte es sich um eine CD, was mich keinesfalls überraschte. Das Papier war noch nicht vollständig entfernt, da erkannte ich schon das graue Cover: die
Live Tour 80
von Lavilliers.
„ Wann hast du sie gekauft?“, fragte ich gerührt.
„ In Caen.“
„ Wie konntest du es wissen, wir hatten die Platte noch nicht gehört?“
„ Es war die Art, wie du die LP am ersten Abend angeschaut hast. Ich hatte mich zwar mit deinem Vater unterhalten, mir war aber nicht entgangen, dass sie etwas Besonderes für dich sein musste. Nichts, was dich betrifft, entgeht mir. Ich hatte keine Ahnung, was sie für dich bedeutet, aber als ich sie zufällig sah, musste ich einfach zugreifen. Ab sofort kannst du sie hören, wann und wo immer du willst. Versprich mir aber, nicht jedes Mal zu weinen.“
„ Ich werde’s versuchen.“
Er holte einen zweiten Gegenstand unterm Bett hervor. Ich war neugierig, wie viel Präsente noch verborgen waren, und wollte mich bücken, um nachzuschauen. Yannick hinderte mich daran.
„ Nichts da! Ein bisschen Geduld, meine Liebe. Es ist sowieso das letzte Geschenk, das nur für dich bestimmt ist.“
Langsam öffnete ich die Verpackung und war erneut wenig überrascht, einmal mehr ging es um Musik.
„ Dein Vater sagte mir, du hättest deinen MP3-Player verloren. Ich habe schon ein paar Titel für dich aufgenommen. Die Tonqualität ist mit Sicherheit besser als
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