Im Namen Caesars
es nur so von Griechischlehrern, doch die meisten fristeten ein ziemlich armseliges Dasein. Ich brauchte jemanden, der mehr konnte, als irgendwelchen Schuljungen aus besserem Hause das Alpha- Beta-Gamma einzupauken oder den Zöglingen aus Senatorenfamilien die Reden des Demosthenes einzutrichtern. Und jemand, der die gesammelten Werke Homers auswendig herunterbeten konnte, würde mir auch nicht viel nützen. Nach kurzem Überlegen teilte ich Hermes meine Gedanken mit.
»Nach was für einem Mann suchen wir also?«, fragte er.
»Einen verschlüsselten Text zu dekodieren ist im Grunde nichts anderes, als ein Rätsel zu lösen«, erwiderte ich. »Und soweit ich weiß, lösen Mathematiker gerne Rätsel. Am besten wenden wir uns also an einen Mathematiker, der zugleich im Griechischen bewandert ist.«
»Eine gute Idee«, stimmte Hermes zu. »Aber wie finden wir einen solchen Mann?«
»Wir fragen Asklepiodes. Er kennt alle in Rom ansässigen gebildeten Griechen.«
Bis zum Tempel des Aesculapius, der sich auf der Tiberinsel befand, waren es nur ein paar Schritte. Aufgrund der von Manilius einberufenen Contio waren die Straßen beinahe menschenleer. Wer nicht zur Teilnahme berechtigt war, wollte wenigstens als Zuschauer dabei sein.
In den Nachmittagsstunden pflegte Asklepiodes in dem wunderschönen Tempel zu unterrichten. Die Insel, auf der man ihn errichtet hatte, wirkte wie ein großes, mitten im Tiber treibendes Schiff. Wir fanden Asklepiodes vor einem Altar, wo er gerade ein frühes Abendopfer darbrachte. Während er die einfache, würdevolle Zeremonie beendete, bedeckten wir unsere Köpfe und warteten respektvoll.
Als er uns erblickte, strahlte er über das ganze Gesicht. »Ist schon wieder jemand gestorben?«
»Nein, diesmal nicht«, erwiderte ich und erklärte ihm, was ich von ihm wollte. Er schüttelte verblüfft den Kopf.
»Deine ausgefallenen Wünsche machen einen immer wieder sprachlos. Aber ich glaube, ich weiß, wer dir helfen kann. Du solltest Callista aufsuchen. Sie ist extra aus Alexandria gekommen, um hier in Rom Vorträge zu halten. Du müsstest sie in der Halle neben Pompeius' Theater finden.« »Callista«, hakte ich nach. »Ist das eine Frau?«
»Ja. Du bist doch selbst schon in Alexandria gewesen.
Deshalb müsstest du eigentlich wissen, dass es dort eine Menge weibliche Gelehrte und Lehrmeister gibt.«
»Aber sie kommen gewöhnlich nicht nach Rom, um hier Vorträge zu halten«, wandte ich ein. »Glaubst du wirklich, dass sie über die Qualifikationen verfügt, die ich benötige?«
»Sie lehrt in dem berühmten Museion und ist auf dem Gebiet der griechischen Sprache eine allseits anerkannte Autorität.
Zudem ist sie Mathematikerin der archimedischen Schule. Ich kenne niemanden in Rom, der ihr das Wasser reichen könnte.«
»Leider habe ich nur wenig Zeit. Meinst du, ich könnte ihr gleich heute Abend einen Besuch abstatten? Oder wäre das zu unhöflich?«
»Aber nein«, versicherte mir Asklepiodes. »Nichts leichter als das! Ich bringe dich zu ihr, es ist ja nicht weit. Gleich über die Brücke im Trans-Tiber- Distrikt. Und als Unhöflichkeit wird sie deinen Besuch mit Sicherheit nicht auffassen. Nach alexandrinischer Sitte stehen ihre Türen anderen Menschen mit wissenschaftlichem Interesse jederzeit offen, um den Austausch zu fördern. Heute Abend müsste sie eigentlich Gäste empfangen.«
»Na wunderbar«, freute ich mich und fuhr an Hermes gewandt fort:
»Lauf zu meiner Frau und richte ihr aus, dass ich heute Abend später nach Hause komme! Sonst denkt sie womöglich noch, dass mich irgendein Halunke überfallen und umgebracht hat. Sag ihr, dass ich einen Griechischgelehrten zu Rate ziehen muss, aber verrate ihr nicht, dass es sich um eine Frau aus Alexandria handelt! Das erkläre ich ihr lieber selber.
Anschließend kommst du zurück. Wir treffen uns im Haus von Callista. Wenn du dich beeilst, müsstest du es finden, bevor es dunkel wird.« Nachdem Asklepiodes ihm den Weg erklärt hatte, verließen wir den Tempel und überquerten die Brücke. Der Trans-Tiber-Distrikt war ein relativ neues Viertel, das vor allem von Ausländern bevorzugt wurde, da sie dort auf ihresgleichen trafen und noch erschwingliche Unterkünfte finden konnten. Die eigentliche Stadt war übervölkert, teuer und voll von Römern. Von der Brücke bis zu Callistas Haus waren es keine hundert Schritte, was sich in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde als ein glücklicher Umstand erwies. Die Sonne stand schon
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