Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
ordentlicher Faustkampf wegen einer Tasche deutlich weniger peinlich für alle Beteiligten gewesen wäre«, stellte Mira fröhlich fest.
Eve musste gegen ihren Willen lachen. » Okay, wahrscheinlich nicht. Aber wie dem auch sei, ich weiß, Sie haben nicht viel Zeit. Den Fall Jenkins habe ich im Griff. Mit dem Fall Flores hat er nichts zu tun.«
» Entgegen aller Wahrscheinlichkeit?«
» Es ist ein Trittbrettfahrer, er hat seine vermeintliche Chance spontan genutzt. Wahrscheinlich hat er schon die ganze Zeit einen gewissen Groll gegen das Opfer gehegt, und als der Fall Flores in den Nachrichten kam, kam ihm die Idee zu diesem Mord. Weshalb es also doch eine, wenn auch lose, Verbindung gibt. Nur dass es im Fall Jenkins ein anderer Täter war, der unter völlig anderen Umständen gemordet hat.«
» Ich hatte schon Angst, dass es ein Wiederholungs- oder Serientäter ist.«
» Sind Sie denn davon ausgegangen?«
» Ausgeschlossen war es nicht. Schließlich waren beide Opfer Repräsentanten religiöser Organisationen, deren Ermordung an eine Zeremonie oder eine Theateraufführung erinnert hat. Zugleich aber war nicht zu übersehen, dass es große Unterschiede zwischen beiden Opfern gab, und zwar bezüglich des Glaubens, den sie vertreten haben, und auch bezüglich ihres Bekanntheitsgrads. Haben Sie schon ein Geständnis im Fall Jenkins?«
» Noch nicht. Ich lasse den Kerl ein bisschen schmoren. Aber wenn ich es nicht in den nächsten Stunden kriege, bohre ich noch ein bisschen in der Wunde, bis er endlich den Mund aufmacht. Ich bin also wegen des Falles Flores hier.«
Mira nahm sich einen der salzigen Kekse, die in einer Schale lagen und die ungefähr so appetitlich aussahen wie die Oblaten, auf die Eve in St. Cristóbal gestoßen war, brach ein mikroskopisch kleines Eckchen davon ab und knabberte daran herum.
» Der falsche Priester«, meinte sie. » In dem Augenblick des Rituals getötet, in dem sein Auftritt als Diener Gottes und als dessen Repräsentant auf Erden den Höhepunkt erreicht. Dies ist mein Blut– wird in dem Moment gesagt. Falls der Killer dachte, dass sein Opfer Flores und ein echter Priester war, würde das auf einen direkten Angriff auf die Kirche, dieses Ritual und den Priesterstand hindeuten. Aber Ihre Ermittlungen haben bisher keinerlei Beweis für irgendwelche persönlichen Probleme des Opfers in seiner Rolle als Flores ergeben. Obwohl natürlich jemand etwas bei ihm gebeichtet haben könnte, von dem er später bedauert hat, dass er darüber gesprochen hat.«
» Was bedeuten würde, dass der Mörder vielleicht jemand aus der Kirchengemeinde oder auf jeden Fall katholisch ist.«
» Ich glaube, dass der Mörder ungeachtet der Frage, ob die Zielperson einfach ein Priester oder jemand war, der sich als Priester ausgegeben hat, einen engen Bezug zur katholischen Kirche und dieser Gemeinde hat. Die angewandte Methode ist eine Art von Ritual, und ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass der Mord während eines Trauergottesdiensts stattgefunden hat.«
» Das sehe ich genauso«, stimmte Eve ihr zu.
» Aber Gift ist eine distanzierte Tatwaffe. Der Mörder bleibt auf Abstand zu dem Opfer, hat aber gleichzeitig den Vorteil, dass er aus dem Hintergrund den Tod bezeugen kann. Das Gedränge in der Kirche bot eine hervorragende Gelegenheit dazu. Es bot gleichzeitig Nähe und Distanz. Ich gehe davon aus, dass dem Täter beides wichtig war. Wie bei einer öffentlichen Hinrichtung.«
» Warum sollte man schließlich jemanden in aller Öffentlichkeit hinrichten, wenn man nicht selbst dabei zusehen kann?«
» Genau. Aber aus welchem Grund? Wahrscheinlich für irgendein Verbrechen, von dem der Mörder selbst betroffen war. Es hat ihm nicht genügt, sein Opfer bloßzustellen. Für jemanden, der fest im Glauben steht– und das Ritual, die Methode, der Zeitpunkt und der Ort deuten darauf hin–, muss die Sünde, das Verbrechen wirklich schlimm und persönlich gegen ihn gerichtet gewesen sein.«
» Es ging um die Gegend, um sein ehemaliges Zuhause, um die Gang. Es hat irgendwas damit zu tun.«
» Ja, die Methode und der Ort spielen sicher eine große Rolle für den Täter. Er ist reif genug, um die Tat sorgfältig zu planen, und steht fest genug im Glauben, um zu wissen, wie er diesen Glauben nutzen kann. Organisiert, besonnen und wahrscheinlich fromm. Dabei wird Gift als distanzierte Waffe oft von Frauen gewählt.«
» Im Gegensatz zu Fäusten«, meinte Eve. » Weil Gift nicht blutig ist. Dafür
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