Im Netz des Teufels
wie in einer Werbeanzeige in einem Katalog für Kinderbettwäsche.
Abby lauschte. Sie hörte nur das Ticken der Standuhr in der Diele und sonst nichts.
War Michael nach Hause gekommen?
»Michael?«, rief sie in einem lauten Flüsterton. Laut genug, dass ihr Mann es hören musste, wenn er nicht in den Keller gegangen war, aber nicht so laut, dass die Mädchen aufgewacht wären.
Stille.
Abby schlich langsam zur Treppe. Sie warf noch einen Blick ins Kinderzimmer. Die Kinder schliefen. Das Glücksbärchi-Nachtlicht tauchte den Raum in ein warmes rötliches Licht. Es war so still im Haus, dass sie beide Kinder nun gleichmäßig atmen hörte.
Abby lehnte die Kinderzimmertür an und stieg dann leise die Treppe hinunter zum nächsten Treppenabsatz. Das Licht in der Küche brannte ebenso wie das in der kleinen Kammer neben der Hintertür, in der sie Stiefel, Regenschirme, Regenmäntel, Regenjacken und Regenhüte aufbewahrten. Im Sommer ließen sie das Licht dort in der Regel die ganze Nacht brennen. Wenn die halbe Hintertür im Winter oft vom Schnee zugeweht wurde, blieb es immer aus.
Sie hatte sich das Geräusch nur eingebildet. Wahrscheinlich war nur ein Auto vorbeigefahren, eine dieser rollenden Discos mit kofferraumgroßen Lautsprechern, die in letzter Zeit häufiger durch den Ort zu brausen schienen. Abby hoffte, dass das nicht in Mode kam. Sie waren vor allem nach Eden Falls gezogen, weil es hier ruhig war, und der Gedanke, dass ...
Ein Licht ging aus. Abby wirbelte herum.
Die Kammer neben der Hintertür war nun in Dunkelheit getaucht.
Abbys Herzschlag setzte aus. Sie trat einen Schritt zurück und flüsterte laut: »Michael!«
Keine Antwort. Einen Augenblick später ging in der Küche ein Licht aus.
Abby schaute die Stufen hinunter. Sie sah die Alarmanlage an der Wand neben der Haustür, das Tastenfeld, das die drei Türen und die sechzehn Fenster im Haus sicherte. Das grüne Licht in der unteren rechten Ecke leuchtete, und das bedeutete natürlich, dass die Alarmanlage nicht eingeschaltet war. Falls Michael gerade nach Hause gekommen war, wäre er durch die Garagentür in die Küche gegangen und von dort in die Diele, um die Alarmanlage einzuschalten. Das machte er immer so.
Im vergangenen Jahr war in der Nachbarschaft zwei Mal eingebrochen worden. Da die Häuser in dieser Gegend relativ isoliert standen und hinter Bäumen versteckt waren, gab es keine Zeugen. In beiden Fällen wurden die Einbrecher nicht geschnappt, und von den gestohlenen Gegenständen tauchte nichts wieder auf. In beiden Fällen wurde keine Gewalt angewandt – die Besitzer waren nicht zu Hause gewesen –, aber es gab immer ein erstes Mal. Die Einbrüche waren einer der Gründe gewesen, warum sie die Alarmanlage einbauen ließen.
In den acht Monaten, seitdem sie bei dem Sicherheitsunternehmen angemeldet waren, hatte Michael noch nie vergessen, sie einzuschalten, wenn er nach Hause kam. Nicht ein einziges Mal.
Wenn jemand im Haus war – und daran bestand für Abby kein Zweifel –, dann war es nicht ihr Ehemann. Niemand sonst hatte einen Schlüssel.
Sie lauschte aufmerksam in der Stille nach Geräuschen – das Knacken einer Holzdiele, das Scharren eines Stuhls, Ein- oder Ausatmen.
Nichts. Nur das Klicken der Standuhr. Nur ihr eigener Herzschlag, der in den Ohren pochte.
Abby beugte sich vorsichtig übers Geländer und spähte in den schwachen Lichtschein, der aus der Küche ins Wohnzimmer schien. Ihr Handy lag zum Aufladen neben dem schnurlosen Telefon auf dem kleinen Computertisch.
Scheiße.
Der Rest der Räume – das Esszimmer und das Wohnzimmer dahinter – war in Dunkelheit getaucht, eine Dunkelheit, die in jeder Ecke Schatten und Geister entstehen ließ. Abby kannte jeden Winkel des Hauses, doch im Augenblick sah es wie ein fremdes Land aus, eine unheilvolle, bedrohliche Landschaft.
Oben war kein Telefon. Sie und Michael hatten entweder ihre Handys bei sich, oder das schnurlose Telefon lag auf dem Nachttisch, wenn es nicht gerade aufgeladen wurde.
Abby kehrte in ihr Schlafzimmer zurück. Sie zog den kleinen Tritthocker hervor und stellte sich darauf. Im obersten Fach ihres Schrankes lag ein Aluminiumkasten. Sie nahm ihn herunter und stellte die Kombination ein, während sie immer wieder in den Flur schaute, nach Schatten Ausschau hielt und auf Schritte lauschte. Sie öffnete den Kasten. In Schaumstoff gebettet lag eine Browning.25-Halbautomatik-Pistole. Abby überprüfte, ob sie gesichert war.
Als sie zehn Jahre alt
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