Im Netz des Teufels
wenn man bedachte, dass Max Priest ein Elektronikexperte war.
»Und wie gefällt Ihnen das Leben in der Vorstadt?«, fragte Priest.
Das war eine gute Frage, auf die Michael noch immer nicht ehrlich antworten konnte. »Es dauerte eine Weile, aber jetzt haben wir uns eingelebt«, sagte er. »Das Leben in der Vorstadt ist schön. Sie sollten es auch mal ausprobieren.«
»Für mich ist das nichts«, meinte Priest. »Wenn ich nicht alle fünf Sekunden eine Autohupe höre, kann ich nicht schlafen.«
Ein paar Minuten plauderten sie ungezwungen, doch dann fragte Michael nach dem Grund des Anrufs.
»Und, was gibt’s?«
Priest atmete tief ein. Es hörte sich an, als brauche er Mut für das, was er zu sagen hatte. Vermutlich etwas Schlechtes.
Michael konnte sich nicht vorstellen, was das sein sollte.
Priest wählte seine Worte sorgfältig und erzählte ihm alles in ruhigem Ton. Doch dadurch wurde es nicht besser. Das, was Priest zu sagen hatte, war etwas, das Michael immer befürchtet hatte, doch er hätte niemals geglaubt, dass es wirklich geschehen würde.
Und zum dritten Mal in seinem Leben hatte Michael Roman das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Abby sagte, sie habe es sofort gewusst, als sie das Restaurant betraten. Es war nicht etwa so, dass sie über hellseherische Fähigkeiten verfügte, doch Michael Romans Nervosität sprach Bände. Auch wenn er zu den erfolgreichsten jungen Staatsanwälten in New York gehörte und es in diesem Job darauf ankam, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, fiel es ihm wahnsinnig schwer, seine persönlichen Gefühle zu verbergen. Abby erkannte es an seinem sonderbaren Verhalten. Er konnte kaum einen Satz zu Ende sprechen und überhäufte sie mit Komplimenten. Die Eiswürfel klirrten leise in seinem Wasserglas, und seine Beine zuckten alle zehn Sekunden. Sie sah es auch in seinen Augen.
Als sie sich an den Tisch gesetzt hatten, sagte Abby zu ihm, sie wisse, dass er ihr einen Antrag machen wolle. Ehe er die Frage stellte, müsse sie ihm aber etwas sagen.
Michael sah fast erleichtert aus. Fast.
Abby atmete tief durch und sagte ihm, dass sie keine Kinder bekommen könne.
Im ersten Augenblick sagte Michael nichts. Es sei, wie Abby ihm später gestand, der längste Augenblick ihres Lebens gewesen. Sie hatte sich darauf vorbereitet und sich eingeredet, dass sie es verstehen würde, falls Michael auch nur im Geringsten zögerte und falls es den geringsten Hinweis gäbe, dass er sein Leben jetzt nicht mehr mit ihr teilen wollte.
»Das ist okay«, sagte er.
Und das war es wirklich.
Zwei Monate später waren sie verheiratet.
Es war Abbys Idee, sich um die Adoption eines estnischen Kindes zu bemühen. Michael machte der Vorschlag überglücklich. Zunächst lief alles reibungslos. Sie kontaktierten eine Agentur in South Carolina, die einzige Agentur an der Ostküste, die Adoptionen aus dem Baltikum vermittelte. Dort erfuhren sie, dass verheiratete Paare und alleinstehende Männer und Frauen, die älter als fünfundzwanzig waren, Kinder aus Estland adoptieren konnten. Sie erfuhren auch, dass es zahlreiche wartende Kinder gab. Ehe einer Adoption zugestimmt wurde, musste das adoptionswillige Paar nach Estland reisen und sich mit dem Kind treffen. Für Abby war das in Ordnung und für Michael sowieso. Er sehnte sich schon lange danach, die Heimat seiner Eltern zu besuchen.
Doch als das Ereignis immer näher rückte, erhielten sie eines Tages die schlechte Nachricht. Sie erfuhren, dass der gesamte Prozess von der Antragstellung bis zur Aufnahme des Kindes durch die Adoptiveltern im Durchschnitt sechs bis zwölf Monate dauerte. Wie ihnen außerdem mitgeteilt wurde, waren die wartenden Kinder in der Regel älter als fünf Jahre.
Sie quälten sich mit der Entscheidung herum, doch am Ende waren sie sich einig, dass Kinder, die fünf Jahre alt oder älter waren, sicherlich liebende Eltern verdienten, aber sie wollten ein Baby.
Die Sache schien hoffnungslos zu sein, bis Max Priest den Kontakt zwischen Michael und einem Anwalt herstellte, der wiederum einen anderen Anwalt kannte. Dieser konnte den Prozess beschleunigen und wusste, wie sie ein Kind adoptieren konnten, das noch keine sechs Monate alt war. Das hatte natürlich seinen Preis.
Während die Ausreiseformalitäten in Tallinn geregelt wurden, wurde die medizinische Untersuchung in Helsinki durchgeführt, wo auch die Visa ausgefertigt wurden. Bewerber estnischer Abstammung wurden bevorzugt behandelt.
Sechs Wochen
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