Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
München nach Hamburg. Im heißen Juli 2010 aber bekam der Hightech-Kokon plötzlich Risse, und herein strömte die wütende Hitze einer versengten Welt. Während der ICE durch die niedersächsische Tiefebene schoss, fielen Klimaanlage und Lüftung aus. Die Sonne brannte erbarmungslos auf das weiße Metalldach und die großen Glasflächen und heizte die Innenräume auf weit über 60 Grad auf. Bald war das Wasser im Bordbistro ausverkauft und kurz darauf das Bier, die Toilettenspülungen versagten, den ersten Passagieren schwanden die Sinne. Die ICE-Fahrgäste beschrieben das Binnenklima der Blechröhre später als «Hölle auf Erden» und fühlten sich «gefangen im Fegefeuer».
Der UN-Klimareport prognostiziert bis 2100 eine Erhöhung der Temperatur zwischen 1,8 und 5 Grad Celsius – je nachdem in welchem Ausmaß es der Menschheit gelingt, den globalen CO 2 -Ausstoß zu reduzieren. In Deutschland, so die Prognosen, werde sich die Anzahl der Tage pro Jahr, an denen Hitze zu einer gesundheitlichen Belastung wird, verdoppeln. Der Alltag wird zum heißen Tanz. Auch weil unsere Gebäude, Infrastruktur und Hochgeschwindigkeitszüge nicht für solche Umweltbedingungen konstruiert wurden. Wüstenbewohner haben seit Jahrhunderten Erfahrungen gesammelt, wie man sich trotz hoher Temperaturen fortbewegt. Dieses Know-how sollten wir uns aneignen. Denn wie die Sahara ist auch der Intercity-Express eine Mangellandschaft ohne Wasserquellen, Sonnenschutz und Luftzirkulation.
Sieben Tage und sieben Nächte überlebte der Mexikaner Pablo Valencia im Jahr 1905 ohne Trinkwasser und Nahrung in der Tinajas-Atlas-Wüste in Arizona, in der auch nachts die Temperatur nicht unter 29 Grad sinkt: Weltrekord! Eine ICE-Fahrt quer durch Deutschland dauert ganz sicher nicht sieben Tage, selbst wenn die Strecke von Freiburg nach Rostock, von Passau nach Bremen führen sollte und es mal wieder Triebwerksprobleme oder den einen oder anderen Lokführerstreik gibt. Akute Lebensgefahr herrscht also im ICE nicht. Trotzdem ist es wichtig, ein gewisses Basiswissen über die Biomaschine Mensch zu haben. 30 000 Thermorezeptoren auf der Haut messen permanent die Lufttemperatur der Umgebung und leiten die Informationen an das Zwischenhirn, wo sie verarbeitet werden. Kommt der menschliche Bordcomputer zu dem Schluss «Mann ist das heiß», dann sendet er Signale, die den Blutzufluss in den oberen Hautschichten verstärken und die zwei bis drei Millionen Schweißdrüsen aktivieren. Im Hitze-Modus strahlt der Körper mehr Wärme ab. Durch die Transpiration und die rasche Verdunstung der Flüssigkeit wird die Haut gekühlt. Der Mensch kann zwischen 0,5 und 8 Liter Flüssigkeit pro Tag ausschwitzen. Wenn nicht genügend Flüssigkeit nachgefüllt wird oder der Motor, das Herz, überfordert ist, kollabiert die körpereigene Klimaanlage, und die Binnentemperatur des Bodys steigt. Bei über 37 Grad Körpertemperatur fängt die Biomaschine an zu stottern, es kommt zu fiebriger Erregung, Schwindel, Ermattung, Bewusstlosigkeit und Hitzschlag. Wie bei der Planung einer Expedition sollte man deshalb auch vor einer Bahnfahrt darauf achten, genug Wasser für die Reisegruppe einzupacken – die Flüssigkeitsquellen im Bordbistro und in den Toiletten könnten ja versiegen beziehungsweise verunreinigt sein. Wasserdiebstahl, ein großes Problem jeder Wüstenexpedition, ist auch an Bord eines überhitzten Zuges nicht auszuschließen.
Auf einem Wüstenplaneten ist die Sonne keine schöne Designerlampe oder wohliger Wärmespender, sondern der Feind. Beduinen haben vor langer Zeit die Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen, meiden den Kontakt mit dem fiesen Fixstern und reisen nur bei Nacht. Die US-Armee, die zwei Wüstenkriege führt, hat festgestellt, dass Soldaten bei einem 30-Kilometer-Marsch in der Nacht nur vier Liter Trinkwasser benötigen, tagsüber, bei prallem Sonnenschein, sind es mehr als acht Flaschen. Legen Sie deshalb Ihre DB-Reise nach Möglichkeit in die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr. Heiße Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 25 Grad sinkt, wird es in Deutschland auch in Zukunft kaum geben. Ideales Reisewetter also: der persönliche Trinkwasserverbrauch ist gering und die Chancen stehen gut, dass die Klimaanlagen funktionieren. Halten Sie beim Schlafen den Mund geschlossen. So verhindert man, dass die Luft die Zunge und den Gaumen austrocknet und ein permanentes Durstgefühl entsteht.
Deutsche Touristen beschweren sich im Urlaub gerne über die
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