Im Paradies deiner Kuesse
und ging wie selbstverständlich zum Du über. „Du hast ein Recht darauf, etwas zu tun, das dich mit Leidenschaft erfüllt, Allie. Das Leben ist kurz.“
Erstaunt öffnete Allegra die Augen und blickte ihn an. Meinte er das etwa ernst? Sie schluckte schwer. Noch vor einer Woche hätte sie ihn für diesen Rat ausgelacht und für verrückt erklärt. Heute schmunzelte sie nicht einmal.
Konnte sie das tun? Konnte sie das Ballett aufgeben und frei sein? Das war leichter gesagt als getan! Hatte sie die Kraft dazu?
Seufzend richtete sie sich auf und sah ihn an. „Ich bin nicht wie du“, erklärte sie leise. „Ich wünschte, ich wäre es.“
Finn grinste. „Du wünschtest, du wärst doppelt so schwer, ein bisschen verrückt und notorisch unrasiert?“
Allegra lächelte ebenfalls. „Nein“, stieß sie gespielt entrüstet hervor. „Aber ich hätte gern ein bisschen von deiner Spontaneität und Kreativität.“
Nun wirkte er schockiert. „Aber du bist Tänzerin. Viel kreativer kann man doch gar nicht sein!“
Abwehrend schüttelte sie den Kopf. „Ich entwerfe die Tänze nicht, Finn. Ich führe sie nur aus. Ich befolge Anweisungen, mehr nicht.“
„Unsinn!“, rief Finn leidenschaftlich. „Das kaufe ich dir nicht ab! Ich habe dich gesehen. Als Julia. Nat hatte mich damals in die Oper geschleppt.“
Geschleppt? Das war ihm nur so herausgerutscht. „Sorry, das klang, als hätte man mich gefoltert“, entschuldigte er sich verlegen lächelnd.
Einen Moment lang versuchte Allegra, beleidigt zu sein. Doch sie scheiterte kläglich. „Schon vergeben“, erklärte sie lachend.
„Jedenfalls stimmt es nicht, dass du nicht kreativ bist. Du hast diese Choreografie mit Leben erfüllt. Nur durch dich wurde sie zu etwas Besonderem.“
Bei diesen Worten rieselte ihr ein Schauer über den Rücken. Aber sie konnte sich nur kurz über Finns Kompliment freuen. Dann meinte sie leise: „Das ist lange her. Hast du es nicht in den Zeitungen gelesen? Ich bin ausgebrannt und seelenlos.“
Als Finn schwieg, wurde ihr ganz schlecht. Wahrscheinlich antwortete er nicht, weil er sie nicht anlügen wollte. Schließlich fand sie den Mut, ihm in die Augen zu sehen. Darauf hatte er anscheinend nur gewartet, denn er wischte ihre Befürchtungen mit einem einzigen Wort beiseite. Mit einem Wort, das man in Gesellschaft besser nicht wiederholte.
„Du ausgebrannt und seelenlos? Das kann ich gar nicht glauben. Nicht nach dem, was ich in den letzten zwei Tagen mit dir erlebt habe. Außerdem spielt es keine Rolle, was die Zeitungen schreiben. Nur was du denkst, ist wichtig.“
Verwundert zog Allegra die Augenbrauen hoch. Das war ihr neu.
„Wenn es um die Entscheidung über deine weitere berufliche Laufbahn geht, solltest dich nicht nach den Medien richten. Das ist deine Entscheidung, Allegra. Nur deine!“
Nach dieser Bemerkung schwiegen sie beide eine lange Zeit.
Was meine Karriere betrifft, weiß ich vielleicht nicht, was ich will. Was dich betrifft, weiß ich es dafür ganz genau!
Vorsichtig warf Allegra ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zu. Die Lider geschlossen, lag Finn auf dem Rücken. Erschöpft vom heutigen Tag. Und seine innere Ruhe übertrug sich auf sie. Bevor Allie einschlief, sagte sie leise: „Danke, Finn.“
„Gern geschehen“, murmelte er.
Und das war das Letzte, was sie in dieser Nacht wahrnahm.
„Da wünscht man sich doch beinah eine Packung Würstchen herbei, oder?“, fragte Finn und stocherte mit einem Stock im Feuer, dass die Funken flogen.
Fragend blickte Allegra ihn an. „Würstchen?“
„Bist du als Kind nie in den Campingurlaub gefahren? Wir haben immer Würstchen auf Stöcke gespießt und über dem Lagerfeuer gegrillt.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Kein einziges Mal?“
Betreten biss sie sich auf die Lippe.
„Na, wenigstens …“ Angestrengt versuchte er, dem etwas Positives abzugewinnen. Das Leben war viel einfacher, wenn man nur die guten Seiten sah. „Wenigstens kannst du in dieser Woche einige der ausgefallenen Campingurlaube nachholen!“
Allegra lachte. „Ja, bis auf den Teil mit den Würstchen.“
„Dann müssen wir das eben ein andermal nachholen“, erwiderte Finn und meinte es auch so.
„Mit wem bist du denn früher zelten gefahren?“, fragte Allegra. „Mit deinen Eltern?“
„Ja, manchmal. Aber die Sommerferien habe ich meist bei meinem Großvater auf der Insel Skye vor der Westküste Schottlands verbracht. Meine Familie stammt von dort. Mit ihm zusammen habe ich
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