Im Reich der Löwin
befanden.
»Warum amüsiert Ihr Euch nicht ein wenig mit den Damen?«, lenkte er nach einigen peinlichen Augenblicken des Schweigens ein und ließ den Blick zu einer seiner Basen wandern. Die rothaarige Schönheit hatte allem Anschein nach ein Auge auf den hünenhaften Otto geworfen. Der Stoff ihres senffarbenen Bliauds spannte sich beinahe unanständig straff über ihrer mehr als vollen Brust, die sich deutlich unter der bestickten Borte abzeichnete. Offensichtlich erregte sie allein der Anblick des hochgewachsenen jungen Mannes so sehr, dass sie den Blick kaum von ihm abwenden konnte. Ihre ansonsten milchweiße, von schwachen Sommersprossen übersäte Haut hatte einen leichten Rotton angenommen, der sich zu Heinrichs Belustigung ganz und gar nicht mit der leuchtenden Farbe ihrer Locken vertrug. Als sie seiner Aufmerksamkeit gewahr wurde, errötete sie noch heftiger und trat mit einem scheuen Lächeln hinter ihre Tante zurück, die Heinrichs wenig taktvolle Anspielung mit einem kaum merklichen Kopfschütteln quittierte. »Geht Haschen spielen oder sonst etwas!« Mit diesem Befehl entließ er den vor Zorn erbleichten Otto und wandte sich seinem Schatzmeister zu, der mit einem ganzen Arm voller Pergamentrollen darauf harrte, dass die Audienz beendet war. »Komm«, knurrte Otto, als er Wilhelm erreichte, ohne dem Kichern der Hofdamen die geringste Beachtung zu zollen. »Lass uns die wirklich wichtigen Dinge im Leben eines Mannes genießen!« Seine Stimme troff vor Zynismus.
England, Huntingdon, Ende Mai 1194
»Was?!« Ungläubig starrte Catherine den jungen Mann in dem geckenhaften Surkot an, der sich von ihrem Steward in die Halle des Palas hatte führen lassen. Auf dem weichen Gesicht des Junkers lag ein Ausdruck heuchlerischer Ergebenheit, der Catherine jedoch nicht einmal den Bruchteil eines Augenblickes über die Kälte und Grausamkeit in den dunklen Augen hinwegtäuschen konnte. Die untersetzte Gestalt des jüngsten Sohnes des ehemaligen Earls of Huntingdon ließ diesen älter erscheinen, als er war, und auch das bereits aus der Stirn zurückweichende Haar unterstrich diesen Eindruck des Widerstreits von Alter und Jugend. Zwar kannte sie Harolds Bruder nur aus den Erzählungen ihres Gatten. Doch das, was sie von ihm gehört hatte, war ausreichend gewesen, um sie mit abgrundtiefer Abneigung zu erfüllen. »Ja, Mylady«, erwiderte Guillaume aalglatt und lächelte die kleine Aliénor an, die in den Armen ihrer Mutter glücklich strahlte. »Er hat mich damit beauftragt, Eure Besitzungen zu verwalten.« Mit einem Blick auf Alan, den Steward , schüttelte Catherine zweifelnd den Kopf, schluckte jedoch beherrscht die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, und ordnete ihre durcheinanderwirbelnden Gedanken. Sie konnte es nicht glauben, dass Harold ausgerechnet seinen Bruder als Verwalter eingesetzt haben sollte! Nach all dem, was er ihm angetan hatte, als Harold noch mit ihm und seiner Stiefmutter unter einem Dach hatte leben müssen! War es nicht Guillaume gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Harold den elterlichen Besitz in Ungnade verlassen musste, um am Hof des Löwen nach einer Anstellung als Knappe zu suchen? Und war es nicht höchstwahrscheinlich Guillaumes Verschulden, dass Harolds Vater bei einem Reitunfall sein Leben verloren hatte? »Habt Ihr eine Nachricht für mich?«, fragte sie schließlich, nachdem sie die feisten Züge des jungen Mannes einige unhöfliche Herzschläge lang studiert hatte. Woraufhin Guillaume das Schreiben, das Harold ihm anvertraut hatte, aus dem Umhang zog und es ihr reichte. Als sie es kurz überflogen und sich überzeugt hatte, dass es das Siegel ihres Gemahls trug, nickte sie versonnen und machte eine widerwillig einladende Geste. »Nun, dann stärkt Euch erst einmal, Schwager.«
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Kaum hatte sie ihm den Rücken gewandt, um mit dem Kind auf dem Arm vor ihm her auf die lange Tafel zuzuschreiten, als Guillaume schamlos den unter gesenkten Lidern versteckten Blick über ihre reizende Rückseite gleiten ließ, die sich unter dem fließenden Stoff des körperbetont geschnittenen Bliauds verführerisch abzeichnete. Zwar war die junge Gemahlin seines Bruders mit ihren achtzehn Jahren etwas älter als er. Aber die Geburt der Zwillinge im vergangenen Frühling hatte ihrer mädchenhaften Figur keinerlei Schaden zugefügt. Die schmalen Schultern waren kaum breiter als die wohlgerundeten Hüften und über dem flachen Bauch wölbte sich ein prall geschnürter Busen, in den die
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