Im Saal der Toten
hausinternen Reporter?«
Er mochte es lieber, wenn alle großen Networks über seine Pressemitteilungen berichteten. Heute würden allerdings nur die im Haus ansässigen Polizei- und Gerichtsreporter der Tageszeitungen und lokalen Fernsehsender anwesend sein. »Zu kurzfristig. Brenda konnte sie erst heute Vormittag benachrichtigen.«
Battaglia ging zum Konferenztisch auf der gegenüberliegenden Seite seines Büros. Obwohl es unnötig war, kaute er mir die Spielregeln immer wieder gerne vor: »Ich verlese die Pressemitteilung und nehme Fragen entgegen. Wenn ich nicht weiter weiß, sehe ich zu Ihnen hinüber. Das ist Ihr Zeichen, die Frage zu beantworten. Bitten Sie Rose, die Reporter hereinzulassen.« Er setzte sich in einen hohen grünen Ledersessel, hinter dem eine Vergrößerung der Phantomzeichnung an einem Bücherregal lehnte.
Ich ging in sein Vorzimmer und nickte seiner Sekretärin zu. Dann stellten Mercer und ich uns an das Kopfende des Tisches neben Battaglia. Die zwölf Journalisten begrüßten den Bezirksstaatsanwalt, während die Kameraleute hinter den alten Holzstühlen ihre Stative aufstellten.
Er las steif von den Papieren ab, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Guten Tag, meine Damen und Herren. Wir haben beschlossen, eine kühne neue Initiative zu ergreifen – ein weiterer großer Schritt im Kampf gegen sexuelle Gewalt. Es handelt sich hierbei um eine gemeinsame Anstrengung von Staatsanwaltschaft, Polizei und Wissenschaft. Wir werden unter Zuhilfenahme der neuesten wissenschaftlichen Methoden und einer innovativen juristischen Strategie den Seidenstrumpfvergewaltiger – wie Sie von der Presse ihn angeblich so schlau genannt haben – auf der Grundlage seines DANN-Profils anklagen. Damit umgehen wir die Verjährungsfrist, die es ihm über kurz oder lang erlauben würde, für diese Verbrechen straffrei auszugehen. Er wird vor Gericht gestellt werden – egal, wann wir ihn finden. Diese Initiative ist intelligent, sie ist kreativ, und sie ist proaktiv.« Battaglia deutete auf die Phantomzeichnung hinter sich. »Aber wir – wir brauchen Ihre Hilfe bei der Festnahme dieses Serientäters. Anschließend werden wir dafür sorgen, dass er nie wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
»Ist es das erste Mal, dass Sie diese Vorgehensweise anwenden, Mr B?«, fragte die Reporterin von CBS.
»Nein, wir haben sie bereits zwei Mal angewandt. In aller Stille. In Zukunft wird es aber alltägliche Praxis sein, wenn diese Monster glauben, sie könnten uns austricksen, nur weil die Gesetzgeber zu faul sind, die Verjährungsfrist abzuschaffen.«
»Geht es Ihnen also darum, der Regierung in Albany eins auszuwischen, Herr Bezirksstaatsanwalt?«
»Verjährungsfristen wurden eingerichtet, weil das menschliche Gedächtnis fehlerhaft ist und Zeugen manchmal abhanden kommen. Aber sie sind nicht mehr zeitgemäß.« Battaglia verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Genauso wenig wie die Gesetzgeber selbst. Diese letzte Bemerkung ist nicht fürs Protokoll gedacht, verstanden?«
»Wann werden Sie den Kerl schnappen?«, fragte Mickey Diamond.
»Die Polizei mobilisiert all ihre Kräfte, und wir haben auch Hilfe von außerhalb angefordert. Ich gehe davon aus, dass –«
»Von außerhalb? Was meinen Sie damit?«
»Darüber kann ich nichts sagen. Auf wessen Seite sind Sie eigentlich?«
»Wenn Sie glauben, dass er so viele Verbrechen begangen hat, warum haben Sie dann nur diesen einen Anklagepunkt gegen ihn erhoben?«, fragte der Reporter des Nachrichtenradiosenders.
»Wir wollten mit dem ältesten Fall anfangen, damit wir nicht Gefahr laufen, ihn zu verlieren. Die anderen werden wir im Laufe des Monats nachreichen. Aber wenn wir jetzt handeln, schärfen wir das öffentliche Bewusstsein und können unsere Daten in die landesweiten Datenbanken einspeisen, ohne noch mehr Zeit zu verlieren. Dieser Vergewaltiger wird uns nicht entkommen.«
»Mr B, haben Sie eine Ahnung, warum der Polizeipräsident den Mord vom letzten Wochenende nicht auf das Konto des Seidenstrumpfvergewaltigers schreiben will?«
Battaglias Miene verfinsterte sich wieder. »Dazu ist es zu früh. Wir wollen die Öffentlichkeit nicht beunruhigen, bis sämtliches Beweismaterial analysiert worden ist.«
»Die Öffentlichkeit beunruhigen?«, sagte Diamond. »Auf der Upper East Side laufen die Frauen herum, als gäbe es bei Bloomingdale’s einen Winterschlussverkauf. Es ist das reinste Tohuwabohu. Panik wäre wohl der
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