Im Schatten der Akazie
meinem Bruder Hattuschili?«
»Ich werde alt, mein Bruder Ramses.«
Mit der Flucht von Uriteschup, der fortan ebenso ein Feind Ägyptens wie des Hethiterlandes war und wegen Mordes gesucht wurde, war auch das letzte Hindernis für Hattuschilis Besuch gefallen.
»Wie sehr hätte Nefertari sich über diesen außergewöhnlichen Augenblick gefreut«, sagte Ramses zu 365
Puducheba, die großartig aussah in ihrem beinahe bis zum Boden reichenden roten Kleid und mit dem goldenen ägyptischen Schmuck, den Ramses ihr zum Geschenk gemacht hatte.
»Während unserer Reise habe ich unaufhörlich an sie gedacht«, bekannte die Königin von Hatti. »Wie lange deine Herrschaft auch währen mag, sie wird deine einzige wahre königliche Gemahlin bleiben.«
Puduchebas Erklärung beseitigte alle Hürden auf dem Weg zu gutem Einvernehmen, und Pi-Ramses gab sich im gleißenden Licht eines heißen Sommers der Festesfreude hin.
Die »Türkisfarbene« hatte Tausende von Würdenträgern aufgenommen, die aus allen Städten Ägyptens herbeigeeilt waren, um der Ankunft des hethitischen Herrscherpaares und den zahlreichen Zeremonien zu dessen Ehren beizuwohnen.
Tief beeindruckten Schönheit und Reichtum der ägyptischen Hauptstadt die erlauchten Gäste, und die Bevölkerung bereitete ihnen in dem Bewußtsein, daß der Gott Amun sein Einverständnis zu diesem Besuch gegeben hatte, einen stürmischen Empfang. Hattuschili, der neben Ramses auf dem Prunkwagen stand, geriet von einer Überraschung in die nächste.
»Läßt sich mein Bruder nicht beschützen?«
»Meine Leibwache paßt auf«, antwortete Ramses.
»Aber all diese Leute, so nahe von uns … Da ist doch unsere Sicherheit in Gefahr!«
»Sieh dir meine Untertanen an, Hattuschili. In ihren Augen glimmt weder Haß noch Angriffslust. Heute danken sie uns, daß wir Frieden geschaffen haben, und wir teilen ihre Freude auf das innigste.«
»Eine Bevölkerung, die nicht durch Angst und Schrecken regiert wird … Das ist sonderbar! Und wie ist es meinem Bruder da gelungen, eine Armee auszuheben, die imstande 366
war, den hethitischen Streitkräften zu trotzen?«
»Die Ägypter lieben alle ihr Land, wie die Götter es lieben.«
»Du, Ramses, du hast meinen Sieg vereitelt, du und sonst keiner. Aber seit wenigen Augenblicken tut es mir nicht mehr leid.«
Der König von Hatti zog seinen wollenen Mantel aus. Ihm war nicht mehr kalt.
»Euer Klima bekommt mir«, stellte er fest. »Schade … Ich hätte gerne hier gelebt.«
Das erste im Palast von Pi-Ramses abgehaltene Festmahl war überwältigend. Es wurden so viele köstliche Gerichte gereicht, daß Hattuschili und Puducheba nur kleine Happen nehmen und an den mit erlesenem Wein gefüllten Schalen höchstens nippen konnten. Hinreißende Musikantinnen mit nackten Brüsten bezauberten ihre Ohren und Augen, und die Königin fand auch Gefallen an den eleganten Kleidern, die Ägyptens Hofdamen trugen.
»Ich möchte dieses Fest gerne dem Andenken an Acha widmen«, schlug Puducheba vor. »Er gab sein Leben für den Frieden hin, für dieses Glück, dessen sich unsere zwei Völker jetzt erfreuen.«
Der König pflichtete ihr bei, schien aber dennoch verstimmt zu sein.
»Unsere Tochter ist nicht anwesend«, stellte er bedauernd fest.
»Ich werde meine Entscheidung nicht zurücknehmen«, erklärte Ramses. »Obgleich Maat-Hor schwere Fehler begangen hat, bleibt sie das Symbol für den Frieden, und in dieser Eigenschaft wird ihr die Ehre zuteil, die ihr gebührt. Soll ich deutlicher werden?«
»Das ist nicht nötig, mein Bruder. Zuweilen ist es gut, manche Einzelheiten nicht zu kennen.«
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Also unterließ es Ramses, die Festnahme des syrischen Händlers zu erwähnen, der Maat-Hor angezeigt hatte, weil er vermeinte, sich selbst reinzuwaschen, wenn er sich in Anschuldigungen gegen die Königin erging.
»Wünscht der Pharao, sich mit seiner zukünftigen Gemahlin zu unterhalten?«
»Das ist nicht erforderlich, Hattuschili. Wir werden diese zweite diplomatische Eheschließung prunkvoll feiern, und unsere beiden Völker werden uns dafür dankbar sein, aber die Zeit der Gefühle und Begierden ist vorüber.«
»Nefertari ist wahrhaft unvergeßlich … Und das ist gut so.
Ich glaube nicht, daß die Prinzessin, die ich ausgewählt habe und die zwar hübsch, aber von mäßiger Klugheit ist, Gespräche mit Ramses dem Großen zu führen vermag. Sie wird die Annehmlichkeiten ägyptischer Lebensweise entdecken und sich unaufhörlich darüber freuen.
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