Im Schatten der Akazie
fürchteten.
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Acha verneigte sich vor dem Königspaar, das auf seinen plumpen, unförmigen Thronsesseln saß.
»Mögen alle Götter Ägyptens und des Hethiterreiches Euren Majestäten wohlgesinnt sein, und möge eure Herrschaft von ebensolcher Dauer sein wie der Himmel!«
»Wir kennen dich lange genug, Acha, um dir die höflichen Floskeln zu erlassen. Komm, setze dich zu uns. Wie geht es meinem Bruder Ramses?«
»Bestens, Majestät. Darf ich der Königin gestehen, daß ihre Schönheit diesen Palast erhellt?«
Puducheba lächelte.
»Die Schmeichelei zählt also nach wie vor zu den Waffen des Obersten Gesandten von Ägypten.«
»Wir leben miteinander in Frieden, ich brauche dir nicht mehr zu schmeicheln. Meiner Aussage mangelt es gewiß an Ehrerbietung, doch sie ist aufrichtig.«
Der Königin stieg zarte Röte ins Gesicht.
»Wenn du noch immer ein Freund hübscher Frauen bist, dann sollte ich wohl auf der Hut sein«, befand Hattuschili.
»Diese ausgeprägte Vorliebe ist mir nicht abhanden gekommen, und für Treue bin ich nicht geschaffen.«
»Trotzdem hast du Ramses vor den Fallen bewahrt, die Hatti ihm gestellt hat, und du hast unser Spionagenetz zerschlagen.«
»Übertreiben wir nicht, Majestät! Ich habe den Plan des Pharaos ausgeführt, und das Schicksal war mir hold.«
»Das gehört jetzt alles der Vergangenheit an! Heute gilt es, die Zukunft zu erschaffen.«
»Genau dies ist auch Ramses’ Meinung. Er mißt der Stärkung des Friedens mit Hatti, von dem das Glück unser beider Völker abhängt, größte Bedeutung bei.«
»Diese Worte hören wir mit Freude«, beteuerte Puducheba.
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»Gestattet mir, daß ich noch einmal auf den Willen des Pharaos hinweise«, fuhr Acha fort. »Für ihn ist die Zeit der Auseinandersetzungen endgültig vorüber, und nichts soll sie von neuem aufflammen lassen.«
Hattuschilis Miene verfinsterte sich.
»Was verbirgt sich hinter dieser Eindringlichkeit?«
»Nichts, Majestät. Deinem Bruder Ramses liegt nur daran, daß du seine geheimsten Gedanken kennst.«
»Danke ihm für das Vertrauen, das er mir schenkt, und versichere ihm, daß wir darin vollkommen übereinstimmen.«
»Unsere Völker und ihre Verbündeten werden darüber glücklich sein. Dennoch …«
Der Oberste Gesandte Ägyptens legte die Hände aneinander und stützte nachdenklich das Kinn darauf.
»Was bekümmert dich, Acha?«
»Ägypten ist ein reiches Land, Majestät. Wird es jemals bei anderen keine Begehrlichkeiten mehr wecken?«
»Wer bedroht es?« erkundigte sich die Königin.
»In Libyen gärt es wieder.«
»Ist der Pharao nicht imstande, diesen Aufruhr niederzuschlagen?«
»Ramses möchte gern schnell handeln und wirksame Waffen einsetzen.«
Hattuschilis forschender Blick belauerte Acha.
»Sollten seine etwa nicht ausreichen?«
»Der Pharao wünscht, daß sein Bruder, der König von Hatti, ihm eine große Menge Eisen schickt, aus dem er Angriffswaffen schmieden kann, um die libysche Gefahr zu beseitigen.«
Auf diese Bitte des ägyptischen Gesandten folgte langes Schweigen. Dann erhob sich Hattuschili und schritt im 84
Audienzsaal erregt auf und ab.
»Mein Bruder Ramses verlangt ein wahres Vermögen von mir! Eisen! Ich besitze kein Eisen. Und besäße ich es, würde ich es für meine eigene Armee behalten. Sucht der Pharao, der selbst so reich ist, mich arm zu machen und Hatti zugrunde zu richten? Meine Vorräte sind aufgebraucht, und dies ist nicht der geeignete Augenblick, Eisen herzustellen.«
Achas Miene blieb undurchdringlich.
»Ich verstehe.«
»Mein Bruder Ramses möge sich mit seinen gewohnten Waffen der Libyer erwehren. Wenn er später immer noch Eisen braucht, werde ich ihm eine angemessene Menge senden.
Bestelle ihm, daß mich diese Bitte überrascht und mit Entsetzen erfüllt.«
»Ich werde es ihm ausrichten, Majestät.«
Hattuschili nahm wieder Platz.
»Kommen wir zum Wesentlichen: Wann soll meine Tochter Hatti verlassen, um die Große königliche Gemahlin des Pharaos zu werden?«
»Nun, Majestät … Der Tag ist noch nicht festgelegt.«
»Bist du nicht hierhergekommen, um ihn mir anzukündigen?«
»Eine Entscheidung von solcher Tragweite will wohlüberlegt sein und …«
»Diese Verzögerung zielt nur darauf ab, Zeit zu gewinnen«, wandte Puducheba ein. »Ist Ramses bereit, Iset die Schöne zu verstoßen und unsere Tochter in den Rang der Königin von Ägypten zu erheben, oder nicht?«
»Die Lage ist sehr heikel, Majestät. Das ägyptische Recht läßt die
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