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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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wirkte, preschte der Wagen des Königs an einem Kanal entlang, der durch mehrere Dörfer führte. Niemand, nicht einmal Ameni, wußte um die dringende Aufgabe, von der es Ramses ratsam erschienen war, sie selbst zu erfüllen.
    Seit Chenar, des Königs älterer Bruder, und seine Helfershelfer nicht mehr lebten, war es leichter geworden, Ramses’ Sicherheit zu gewährleisten. Doch die Freiheit, in der Uriteschup sein Unwesen treiben konnte, erfüllte den Vorsteher der Leibwache des Pharaos mit Sorge, und er beklagte die vom zunehmenden Alter kaum gemilderte Furchtlosigkeit des Herrschers.
    Ramses hielt am Fuße eines weit ausladenden Baumes, dessen schmale, wie Pfeilspitzen geformte Blätter bezaubernd aussahen.
    »Schau dir das an, Serramanna! Den Archiven im Haus des Lebens zufolge ist das die älteste Weide Ägyptens. Aus ihrer Rinde wird ein entzündungshemmender Stoff gewonnen, der mir Linderung verschafft hat. Deshalb bin ich hergekommen, um ihm zu danken. Und ich werde noch Besseres tun: Mit eigenen Händen werde ich in Pi-Ramses in der Nähe von Wasserbecken Weidenzweige einpflanzen und anordnen, daß man im ganzen Land gleichermaßen verfährt. Die Götter und die Natur haben uns alles geschenkt. Lassen wir ihre Schätze Früchte tragen!«
    »Kein anderes Land«, so dachte der ehemalige Seeräuber,
    »hätte einen König wie diesen hervorbringen können.«
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    VIERZEHN
    ISKALTER WIND PFIFF über die Hochebene im B
    E ergland von Hatti, denn in Hattuscha glich der Herbst zuweilen dem Winter. Acha hatte keinen Grund, an Hattuschilis Gastfreundschaft etwas auszusetzen; die Verpflegung war angemessen, wenn auch einfach, und die zwei jungen Hethiterinnen, die ihn zerstreuen sollten, kamen ihrer Aufgabe voller Eifer und Hingabe nach.
    Doch ihm fehlte Ägypten. Ägypten und Ramses. Acha wollte im Schatten des Herrschers alt werden, dem er sein Leben lang gedient und für den er es auf sich genommen hatte, mit oft verhohlener Begeisterung den schlimmsten Gefahren zu trotzen. Die wahre Macht, die ihn als Jüngling an der Schreiberschule von Memphis in ihren Bann gezogen hatte, die besaß Ramses und nicht Moses, wie Acha kurze Zeit geglaubt hatte. Moses kämpfte für eine ihm offenbarte, endgültige Wahrheit, während Ramses Tag um Tag an der Wahrheit einer Kultur und eines Volkes zimmerte, weil er seine Taten der Maat, dem Verborgenen und dem Quell des Lebens, als Opfer darbrachte. Wie schon die Pharaonen vor ihm wußte auch Ramses, daß alles Erstarrte sich dem Tode zuneigt. Darum glich er eher einem Musikanten, der auf mehreren Instrumenten zu spielen und mit den Noten der Ewigkeit unablässig neue Melodien zu erfinden verstand. Ramses mißbrauchte die ihm einst von den Göttern verliehene Macht nicht als Gewalt über die Menschen, sondern sah in ihr die Verpflichtung zur Lauterkeit, und diese Treue gegenüber der Maat hinderte einen Pharao Ägyptens daran, zum Tyrannen zu werden.
    Seine Aufgabe bestand nicht darin, die Menschen zu knechten, sondern sie von sich selbst zu befreien. Ramses 101

    regieren zu sehen war, als beobachte man einen Steinmetz, der das Antlitz einer Gottheit herausmeißelt.
    In einem Mantel aus roter und schwarzer Wolle, ähnlich jenem, den sein verstorbener Bruder getragen hatte, betrat Hattuschili die Gemächer, in denen der Oberste Gesandte Ägyptens untergebracht war.
    »Bist du mit der Aufnahme hier zufrieden, Acha?«
    »Sie könnte nicht besser sein, Majestät.«
    »Setzt dir die verfrüht hereingebrochene Kälte nicht zu?«
    »Doch, ich müßte lügen, wollte ich das Gegenteil behaupten.
    An den Ufern des Nils ist es um diese Jahreszeit so mild.«
    »Jedes Land hat seine Vorzüge … Gefällt es dir in Hatti nicht mehr?«
    »Je älter ich werde, Majestät, desto lieber bin ich zu Hause.«
    »Dann habe ich eine gute Nachricht für dich: Ich brauche nicht länger nachzudenken. Du kannst dich also schon morgen auf den Rückweg nach Ägypten machen. Aber ich habe auch eine schlechte Nachricht: Ich werde nicht nachgeben, und meine Forderung bleibt bestehen. Meine Tochter muß Ramses’
    Große königliche Gemahlin werden.«
    »Und wenn der Pharao dies weiterhin ablehnt?«
    Hattuschili kehrte dem Ägypter den Rücken zu.
    »Gestern habe ich meine Heerführer versammelt und ihnen befohlen, unsere Truppen auf den Kampf vorzubereiten. Da mein Bruder, der Pharao, mich um Eisen gebeten hat, habe ich insbesondere für ihn eine einzigartige Waffe anfertigen lassen.«
    Der König wandte sich

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