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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Pharao unsere Tochter zu schicken, wird er meinen, es stecke böse Absicht dahinter.«
    »Was sollen wir tun, Hattuschili?«
    »Ihm die Wahrheit sagen und ihn um seine Hilfe bitten. Die Wissenschaft der Magier Ägyptens kennt nicht ihresgleichen; mögen sie die Elemente besänftigen und die Straßen passierbar machen. Schreiben wir sogleich an unseren vielgeliebten Bruder.«

    Mit kantigem und strengem Gesicht, kahlgeschorenem Kopf und wegen seiner schmerzenden Gelenke zuweilen steifen Schritten durchstreifte Kha die riesige Totenstadt von Sakkara, in der er sich unbeschwerter fühlte als in der Welt der Lebenden. Als Oberpriester des Ptah verließ Ramses’
    erstgeborener Sohn nur selten die alte Hauptstadt Memphis.
    Das Zeitalter der Pyramiden zog ihn in seinen Bann.
    Stundenlang betrachtete Kha die drei steinernen Riesen in der Ebene von Gizeh: die unter den Pharaonen Cheops, Chephren 207

    und Mykerinos erbauten Pyramiden. Sobald die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, spiegelten die mit weißen Kalksteinplatten verkleideten Oberflächen das Licht wider, so daß es in die Totentempel einfiel. Als Sinnbild des Hügels, der am ersten Morgen der Welt aus dem Urmeer aufgestiegen war, stellten die Pyramiden auch zu Stein gewordene Sonnenstrahlen dar, die für alle Zeit unwandelbare Kraft in sich bargen. Und Kha hatte eine ihrer Wahrheiten erkannt: Jede Pyramide war ein Schriftzeichen im großen Buch der Weisheit, nach dem er in den alten Archiven suchte.
    Doch der Oberpriester von Memphis machte sich auch Sorgen, denn unweit der riesigen, von der Stufenpyramide überragten Tempelanlage des Pharaos Djoser lag die Pyramide des Königs Unas, die dringender Ausbesserungsarbeiten bedurfte. Ende der fünften Dynastie errichtet, wies das mehr als tausend Jahre alte, verehrungswürdige Bauwerk ernste Schäden auf, und mehrere Steinblöcke aus der Verkleidung mußten unbedingt erneuert werden.
    Hier, in Sakkara, hielt der Oberpriester Kha Zwiesprache mit den Seelen der Vorfahren. Wenn er in den Totenkapellen weilte, las er die langen Hieroglyphenreihen, in denen die schönen Pfade des Jenseits ebenso heraufbeschworen wurden wie das freudvolle Los derer, die eine »gerechte Stimme«
    besaßen, weil sie stets die Gesetze der Maat geachtet hatten.
    Durch das Entziffern dieser Inschriften erweckte Kha die Inhaber der Grabstätten in den Gefilden des Schweigens zu neuem Leben.
    Der Oberpriester Kha ging gerade um die Pyramide des Unas herum, als er seinen Vater auf sich zukommen sah. Glich Ramses nicht einer dieser Lichtgestalten, die zu bestimmten Tageszeiten den Sehern erscheinen?
    »Was hast du vor, Kha?«
    »Zunächst möchte ich die dringend erforderliche 208

    Ausbesserung der Pyramiden aus dem Alten Reich vorantreiben.«
    »Hast du das Buch des Thot gefunden?«
    »Nur Bruchstücke davon … Aber ich bin hartnäckig. Es gibt so viele Schätze in Sakkara, daß ich vielleicht sehr lange leben muß.«
    »Du bist erst achtunddreißig Jahre alt. Hat Ptah-hotep mit dem Verfassen seiner Lehren nicht gewartet, bis er hundertzehn war?«
    »An dieser Stätte, Vater, hat sich die Ewigkeit aus der Zeit der Menschen genährt und sie in lebendige Steine verwandelt.
    Diese Kapellen, diese Hieroglyphen und diese Großen der Vergangenheit, die dem Geheimnis des Lebens huldigen und Opfer darbringen, zählen sie nicht zum Besten unserer Kultur?«
    »Denkst du bisweilen auch an die Staatsgeschäfte, mein Sohn?«
    »Weshalb sollte ich mir darüber Gedanken machen, zumal du doch regierst?«
    »Die Jahre verstreichen, Kha, und auch ich werde eines Tages in das Land gehen, das die Stille liebt.«
    »Die Kraft Deiner Majestät ist soeben erneuert worden, und ich werde dein nächstes Jubiläumsfest in drei Jahren noch trefflicher gestalten.«
    »Du weißt nichts von der Verwaltung, von Handel und Wandel, von der Armee …«
    »Ich finde keinerlei Geschmack an diesen Dingen. Ist die strikte Ausübung der Riten nicht die Grundlage unseres Gemeinwesens? Von ihr hängt das Glück unseres Volkes ab, und ihr gedenke ich mich jeden Tag mehr zu verschreiben.
    Findest du, daß ich dabei den falschen Weg einschlage?«
    Ramses blickte zur Spitze der Pyramide des Unas hinauf.
    209

»Nach dem Höchsten zu streben, dem Lebenswichtigsten, ist immer der richtige Weg. Der Pharao muß indes auch in die Unterwelt hinabsteigen und dort dem Ungeheuer trotzen, das den Nil auszutrocknen und die Barke des Lichts zu zerstören sucht. Wenn er diesen täglichen Kampf nicht

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